Der Löwe
dass ich zusehe, wie sie stirbt.«
»Krankhaft.«
»Ausgesprochen«, pflichtete ich bei.
»Tja … vielleicht kriegen wir diesbezüglich eine Chance. Ich meine, denken Sie an diesen – diesen Wiggins, wenn er vorhatte, ihn kaltzumachen, war er ein leichtes Ziel. Er hat nicht damit gerechnet. Genauso wenig wie Kate. Jetzt ist jeder ein schweres Ziel. Sie eingeschlossen. Richtig? Der nächste Zug, den Khalil macht, wird sein letzter sein.«
Das klang sehr optimistisch, aber ich erwiderte: »Hoffentlich.«
»Okay«, sagte Paresi. »Ich breche jetzt zur Dienststelle auf. Ich rufe Haythem an und sage ihm, er soll sich dort mit mir treffen, dann nehmen wir uns Ihren Ordner vor.«
»Sagen Sie ihm, dass er auf sich aufpassen soll. Und vielleicht sollte seine Familie in Urlaub fahren. Er hat eine Frau und eine Tochter, glaube ich.«
»In Ordnung …«
»Ich komme so bald wie möglich in die Dienststelle.«
»John, machen Sie sich darüber keine Gedanken. Kümmern Sie sich um Kate. Wir bleiben in Verbindung. Und rufen Sie mich an … wenn es Kate schlechter gehen sollte.«
Das dürfte sich in Kürze zeigen. »Es kann sein, dass sie nicht durchkommt«, sagte ich zu ihm.
Daraufhin schwieg Paresi kurz, dann sagte er: »Sie wird es schaffen. Ich bete für sie.« Und er fügte hinzu: »Sie ist taff.«
Wir legten auf, und ich setzte mich auf einen der Stühle im Warteraum.
Kate ging mir nicht aus dem Kopf, aber ich versuchte auch an Asad Khalil zu denken und ihn zu begreifen.
Asad Khalil war ein Angeber, ein Blender, und wie alle Psychopathen genoss er es, die Behörden zu verhöhnen. Und die Behörden waren froh, wenn sie mit Anrufen und Briefen von dem Typ verhöhnt wurden, den sie suchten. Wir nennen das Hinweise.
Außerdem war Khalil auf einem Rachefeldzug, und Rache und Hass beeinträchtigen das Urteilsvermögen, sodass man
gefasst oder getötet wird. Das wäre ihm schon beim letzten Mal, als er hier war, um ein Haar passiert. Und ich hatte keinerlei Zweifel, dass Asad Khalil diesmal gefasst oder getötet werden würde. Aber ich wusste nicht, wie viele Menschen ihm zum Opfer fielen, bevor wir ihn fassten, oder ob Kate noch erleben würde, dass dieser Fall abgeschlossen wurde.
Ich hörte schwere Schritte auf dem gefliesten Flur … ein Mann, der allein war. Ich schob die Hand in die Tasche, in der meine Knarre steckte, und beobachtete die Tür.
14
D ie Tür ging auf, und ein Mann mittleren Alters trat ein, der grüne OP-Kleidung trug und einen Mundschutz um den Hals hängen hatte.
Wir gingen sofort auf Blickkontakt, und die nächste halbe Sekunde kam mir wie eine halbe Ewigkeit vor.
»Mr Corey?«
»Ja.«
Wir gingen aufeinander zu, und er streckte die Hand aus und stellte sich als Dr. Andrew Goldberg vor. Er legte die andere Hand auf meine Schulter und sagte: »Sie liegt auf der Intensivstation und ruht sich aus.«
Ich schloss die Augen und nickte.
Er fuhr fort: »Ihre Vitalparameter sind stabil. Blutdruck und Atmung sind gut.«
Wieder nickte ich.
Er lotste mich zu den Stühlen, und mir kam der Gedanke, dass er seit über zwei Stunden auf den Beinen war und sich setzen musste. Mein zweiter Gedanke war, dass er mir alles Weitere im Sitzen beibringen wollte, weil der übrige Teil seines Berichts nicht so gut war.
Wir setzten uns nebeneinander, und er berichtete mir in ruhigem Tonfall: »Die Operation zum Verschließen der Wunde an der Halsschlagader war erfolgreich.«
Wieder nickte ich.
»Mir ist eine Prellung im Gesicht und eine Schwellung an den Lippen aufgefallen, aber der Anästhesist sagte, sie habe weder
lockere Zähne, noch fehlten welche«, sagte er. »Die Verletzung kann eine Folge des Aufpralls am Boden sein«, mutmaßte er.
Eigentlich stammte sie von dem Schlag ins Gesicht, den Asad Khalil ihr verpasst hatte.
»Auf jeden Fall«, fuhr er fort, »ist sie unerheblich. Sie hatte infolge des Aufpralls noch andere Prellungen, aber ich glaube nicht, dass innere Verletzungen vorliegen, und innere Blutungen auch nicht, allerdings könnte sie sich Knochen gebrochen haben. Wir werden sie so bald wie möglich zum Röntgen bringen.«
»Wann wird es so weit sein?«
»Ich bin mir nicht sicher. Es war eine tiefe Stichwunde, aber es war kein anderes Gefäß betroffen – keine Verletzung an der Halsvene oder an anderen Venen oder Arterien, auch nicht an der Luftröhre. Meines Erachtens war es eine Messerverletzung«, stellte er fest.
Ich nickte. Khalil hatte ihr die Kehle durchschneiden und
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