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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Zugang zu seinen Gefühlen. Niemand. Nicht mal sie.
    Gemeinsam räumten sie den Tisch ab. Ruben achtete darauf, dass sie keinem gefährlichen Gegenstand zu nahe kam. Brächte sie es fertig, ihm das Brotmesser in den Bauch zu stoߟen? Könnte sie ihm den schweren Kerzenleuchter überziehen? Sie war froh, dass Ruben sie daran hinderte, die Antwort zu finden. Er fasste sie am Arm und führte sie die Treppe hinauf.
    »Darf ich?« Ilka blieb auf dem Treppenabsatz stehen. Drei Türen, alle weit offen. Drauߟen war die Sonne zwischen den Wolken hervorgekommen und schüttete Licht in die Zimmer. Es leuchtete bis in den Flur.
    Ruben nickte. Ihre Bereitschaft, auf seine Wünsche einzugehen, hatte ihn entwaffnet. Er konnte ihr jetzt eine so harmlose Bitte nicht abschlagen. Eine Hand wäscht die andere, dachte Ilka. Sie musste lernen, berechnend zu sein. Nur wenn sie ihren Kopf benutzte, würde es ihr gelingen, sich Freiräume zu schaffen, die sie irgendwann hoffentlich für die Flucht nutzen konnte.
    Der Hals wurde ihr eng, als sie das erste Zimmer betrat. Als hätte eine Zeitmaschine sie von einer Sekunde auf die andere in der Vergangenheit abgesetzt. Sie hatte das Gefühl, bloߟ die Augen schlieߟen zu müssen, um ihren Vater wieder lebendig werden zu lassen und ihre Mutter gesund. Dieses Gefühl verlieߟ sie auch in den beiden anderen Zimmern nicht. Im Gegenteil. Es wurde eher noch stärker. Doch es war ein trügerisches Gefühl. Ihr Vater war tot, und ihre Mutter hatte die Welt vergessen oder so tief in sich vergraben, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte.
    Ilka zwang sich, ruhig und tief zu atmen.
    Die Treppe.
    Die von damals hatte zu ihren Zimmern geführt. Und auf den Speicher.
    »Irgendwann«, hörte sie Ruben neben sich sagen, »irgendwann richtest du die Räume nach deinem Geschmack ein. Du sollst in diesem Haus glücklich sein.«
    Er schob sie vorwärts. Auf die Treppe zu. Ilka umfasste das Geländer. Es fühlte sich genauso an wie das Geländer im Haus der Eltern.
    Stufe für Stufe stieg sie hinauf, Schritt für Schritt wuchs die Angst in ihr. Sie sah den Speicher vor sich, den schmutzigen grauen Holzfuߟboden, die Spinnwebfäden in den Ecken und vor den kleinen Fenstern. Sie roch den Staub, der in der Luft lag und manchmal, bei Sonnenschein, darin tanzte.
    Nein, wollte sie sagen. Bitte nicht auf den Speicher, Ruben. Tu mir das nicht an. Es gibt Erinnerungen, die ich nicht bewältigen kann. Deshalb mache ich doch die Therapie. Die Therapie, Ruben, ich darf sie nicht abbrechen. Sie ist entsetzlich, aber nur sie kann mir helfen. Tante Marei hatte Recht, mich dahinzuschicken. Sie hat oft Recht, Ruben, sie ist eine kluge Frau.
    Ruben öffnete die Tür. Ilka hatte erwartet, sie würde quietschen, wie die Tür zu Hause, damals, doch sie ging völlig geräuschlos auf.
    Vor Erleichterung wäre sie fast in Tränen ausgebrochen. Sie betrachtete diesen wunderschönen, hellen Raum mit der groߟen Fensterfront, sog gierig jeden Eindruck auf.
    Üœberall standen und lagen Bilder herum. Der Geruch nach Farbe war sehr intensiv. Offenbar hatte Ruben viel gemalt. Es war auf eine angenehme Weise unordentlich. In schmutzigen Gläsern standen Pinsel. Spachtel lagen zwischen Kreide und Farbtuben. An einer am einen Ende des Raums gespannten Leine hingen Skizzenblätter.
    Ilka konnte nicht anders. Sie musste die Bilder anschauen.
    Und sie erschrak. Es war, als blickte sie bei jedem einzelnen Bild in einen Spiegel.
     

Kapitel 20
    Das also war das Haus, in dem Ilka lebte. Der Stadtteil gehörte zu denen, in die ich mich nie verirrte. Lauter Einfamilienhäuser, gehegt, gepflegt und glatt poliert. Wahrscheinlich standen die Nachbarn ständig hinter den Gardinen, um nur ja alles mitzukriegen, was auf der Straߟe passierte. Die Umgebung erinnerte mich an die Gegend, in der wir gewohnt hatten, bevor meine Eltern sich scheiden lieߟen. Vorgartenidylle und Vorzeigeglück.
    Mike klingelte.
    »Und die Therapeutin wohnt in der Nähe?«, fragte ich.
    Mike nickte.
    »In so einem Viertel wie diesem?«
    Mike nickte wieder.
    »Dann sollten wir mit einem Foto von Ilka die Häuser abklappern. Die Leute hier sind lebende Zeitungen. Irgendwer 
muss
 was gesehen haben.«
    »Mike! Gerade eben hab ich an dich gedacht und im nächsten Moment stehst du vor der Tür. Wie schön!«
    Ilkas Tante gefiel mir auf Anhieb. Mit ein bisschen Phantasie konnte man Ilka in ihrem Gesicht wiederfinden und in ihrem Lächeln. Es war mir sympathisch,

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