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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Heim?«
    »Eine Einrichtung für psychisch Kranke. Meine Schwester ist am Tag des Unfalls verstummt. Sie hat bis heute kein einziges Wort mehr gesprochen.«
    Wie entsetzlich. Und Ilka hatte das alles mit sich allein herumgeschleppt. Mike dachte offenbar dasselbe. Erschrocken starrte er vor sich hin.
    »Damals ist Ruben mit seinem Erbteil auf und davon. Wir haben nie wieder etwas von ihm gehört, auߟer dem, was wir über ihn in der Zeitung gelesen haben. Das Haus wurde vermietet und Ilka ist zu uns gezogen.«
    Ruben Helmbach. Ich kannte den Namen. Meine Mutter hatte verschiedene Zeitschriften abonniert, um immer über alle aktuellen Ereignisse im Bereich der Kunst und vor allem der Literatur informiert zu sein. In einer dieser Zeitschriften hatte ich den Namen gelesen. Ruben Helmbach. Es war noch gar nicht so lange her. Ich hatte ihn überhaupt nicht mit Ilka in Verbindung gebracht.
    »Ich habe den Verdacht, dass es einen entsetzlichen Streit zwischen den Geschwistern gegeben haben muss. Aber fragt mich nicht, worum es dabei ging. Auf jeden Fall hat Ilka einen Schlussstrich gezogen und der war endgültig.«
    »Irgendwie passt das nicht zu ihr.« Mike kam mühsam wieder zu sich. »Sie ist nicht der Typ für endgültige Schlussstriche.« Er war weiߟ wie die Tischdecke. Eine weitere Hiobsbotschaft würde er nicht verkraften.
    Frau Täschner merkte es ebenfalls. »Willst du ein Glas Wasser, Mike?«
    »Nein. Geht schon wieder. Danke. Aber die Adresse von dem Heim, in dem Ilkas Mutter lebt, die hätte ich gern.«
    »Wozu? Ihr habt doch nicht vor...«
    »Wir können schlieߟlich nicht untätig rumsitzen!«
    Frau Täschner diskutierte nicht darüber. Vielleicht fehlte ihr die Kraft dazu. Sie kramte in einer der Schubladen, förderte einen kleinen Notizblock und einen Kugelschreiber zutage, schrieb die Adresse auf und riss das Blatt ab. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Schlieߟlich reichte sie das Blatt nicht Mike, sondern mir.
    »Sie wirken besonnen auf mich«, sagte sie. »Passen Sie auf den Jungen auf.«
    Da hatte sie, wie meine Groߟmutter es ausdrücken würde, den Bock zum Gärtner gemacht.
    »Versprochen.« Ich drückte ihr die Hand. »Darf ich Sie noch um einen Gefallen bitten?«
    »Jederzeit.«
    »Schenken Sie mir das Foto von Ilka, das da an der Wand hängt?«
    Sie spähte hinüber, als müsste sie sich erst erinnern. Dann ging sie hin und klaubte das Foto ab. Sie betrachtete es und fing an zu weinen.
    »Haltet ihr es für möglich, dass sie €¦ dass sie sich...«
    »Nein.« Mike nahm sie in die Arme. »Das dürfen Sie nicht mal denken. Ilka würde sich nie etwas antun.«
    »Aber was ist dann passiert?«
    »Jemand hat sie entführt«, sagte Mike.
    Entgeistert starrte sie ihn an. »Aber wir sind doch nicht reich.«
    »Genau das ist es, was ich nicht begreife«, sagte Mike.
    Wir verlieߟen Ilkas Tante mit schlechtem Gewissen, aber wir hatten keine Ruhe mehr. Ilka war jetzt seit fast siebzig Stunden verschwunden. Mit jeder Stunde, die verstrich, wuchs die Gefahr, in der sie sich befand. Wir mussten uns beeilen.
     
    Ruben prüfte das Licht und rückte einen Stuhl zurecht. Dann ging er zum Schrank und holte das Kleid heraus. Es war aus purpurfarbenem Samt und würde Ilka bis zu den Knöcheln reichen.
    »Zieh das an«, sagte er.
    Ilka zögerte, bevor sie die Hand nach dem Kleid ausstreckte. Dann sah sie sich suchend um. Er bemerkte es, fuhr aber fort, die Farben zu mischen. Schlieߟlich trat Ilka hinter die Staffelei und zog sich um.
    Ruben schaute nicht hin. Er wollte nichts, was sie ihm nicht aus freiem Willen gab. Erst als sie wieder hinter der Staffelei hervorkam, blickte er auf.
    Sein Atem stockte. Das Kleid war wie für sie gemacht. Es umhüllte ihren Körper wie eine zweite Haut. Es war hochgeschlossen und hatte lange Ąrmel, die spitz über den Handrücken verliefen. Es floss an ihr hinab bis zu den nackten Füߟen.
    Er liebte ihre Füߟe. Sie waren sehr klein und weiߟ und bildeten einen verwirrenden Kontrast zu der Strenge des Kleids. Ruben drehte den Stuhl so, dass die Rückenlehne nach vorn zeigte.
    »Und jetzt setz dich rittlings drauf«, sagte er.
    Dazu musste Ilka das Kleid bis zu den Oberschenkeln hochschieben. Sie lehnte sich mit beiden Armen auf die Stuhllehne, die Hände übereinander, und legte das Kinn auf den rechten Handrücken.
    »Guck mich an«, sagte Ruben, und Ilka gehorchte.
    Und dann gab es für ihn nur noch Ilka und die Farben. Er arbeitete ruhig und konzentriert,

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