Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der magische Pflug

Der magische Pflug

Titel: Der magische Pflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
wo er sie heilen, ihr die Trauer nehmen konnte.
    Und weil Alvin in Measures Haus lebte, wich die Vorsicht von ihm, bis seine Miene wieder seine Gefühle offenbarte. Da geschah es, daß Measure, nachdem er mit Delphi wieder einen solchen Blick ausgetauscht hatte, zufällig Alvin ins Gesicht sah. Delphi hatte inzwischen den Raum verlassen, und die Kinder lagen schon lange im Bett, so daß Measure eine Hand ausstreckte und Alvins Knie berühren konnte.
    »Wer ist sie?« fragte Measure.
    »Wer?« fragte Alvin verwirrt.
    »Die, die du so sehr liebst, daß dir schon der Atem stockt, wenn du dich nur an sie erinnerst.«
    Einen Augenblick zögerte Alvin, aus langer Gewohnheit. Aber dann brachen die Dämme, und er erzählte die ganze Geschichte. Er begann mit Miss Larner und wie sie in Wirklichkeit Margaret war, dasselbe Mädchen, daß in Geschichtentauschers Geschichten einst die Fackel gewesen war, die aus der Ferne über Alvin gewacht hatte. Und von seiner Liebe zu ihr zu erzählen führte zu der Geschichte, wie sie ihn unterrichtet hatte, und als er schließlich am Ende war, brach der Tag bald wieder an. Delphi schlief an Measures Schulter gelehnt – sie war irgendwann wieder hereingekommen, aber nicht lange wachgeblieben. Und das war auch besser so, denn ihre drei Kinder und Arthur Stuart wollten mit Sicherheit pünktlich frühstücken, egal wie lange sie in der Nacht aufgeblieben sein mochte. Aber Measure war noch wach, und seine Augen funkelten vom Wissen darüber, was der Kardinalvogel erzählt hatte, vom Wissen um den lebendigen, goldenen Pflug, um Alvin im Essenfeuer, um Arthur Stuart im Hio. Und da war auch eine tiefe Trauer hinter dem Leuchten in Measures Augen, wegen des Mordes, den Alvin mit eigenen Händen begangen hatte, so sehr der andere ihn auch verdient haben mochte; und wegen des Todes von Old Peg Guester und sogar wegen des Todes eines gewissen entlaufenen schwarzen Sklavenmädchens, der schon Arthur Stuarts ganze bisherige Lebensspanne zurücklag.
    »Irgendwie muß ich losziehen und Leute finden, denen ich beibringen kann, Macher zu werden«, sagte Alvin. »Aber ich weiß nicht einmal, ob jemand ohne meine Gabe so etwas lernen kann, oder wieviel sie bereits vorher wissen müssen, oder ob sie es überhaupt lernen wollen.«
    »Ich glaube«, meinte Measure, »daß sie erst einmal den Traum von deiner Kristallstadt lieben lernen müssen, bevor sie überhaupt erfahren, daß sie lernen könnten, zu ihrem Aufbau beizutragen. Wenn sich herumspricht, daß es einen Macher gibt, der das Machen lehrt, dann bekommst du alle möglichen Leute, die mit einer solchen Macht nur andere beherrschen wollen. Aber die Kristallstadt – ah, Alvin, stell dir das mal vor! Als würdest du in diesem Wirbelsturm leben, der dich und den Propheten vor so vielen Jahren aufgenommen hat.«
    »Wirst du es lernen, Measure?« fragte Alvin.
    »Ich werde alles tun, was ich kann, um es zu lernen«, antwortete Measure. »Aber zuerst gebe ich dir ein feierliches Versprechen, daß ich das, was du mich lehrst, nur dazu verwenden werde, die Kristallstadt zu erbauen. Und wenn sich herausstellen sollte, daß ich einfach nicht genug lernen kann, um ein Macher zu werden, dann helfe ich dir auf jede andere erdenkliche Weise, wie ich es eben kann. Ich werde tun, worum du mich bittest, Alvin – ich führe meine Familie bis ans Ende der Welt, ich gebe alles auf, was ich besitze, ich sterbe, wenn es sein muß – alles, nur damit die Vision, die Tenskwa-Tawa dir gezeigt hat, Wirklichkeit wird.«
    Alvin hielt Measures Hände, hielt sie sehr lange fest. Dann beugte Measure sich vor und küßte ihn, von Bruder zu Bruder, von Freund zu Freund. Die Bewegung weckte Delphi. Sie hatte das meiste nicht mitgehört, aber sie wußte, daß hier etwas Feierliches vor sich ging, und sie lächelte schläfrig, bevor sie aufstand und sich von Measure ins Bett bringen ließ, um die letzten paar Stunden vor Tagesanbruch noch zu schlafen.
    Das war der Beginn von Alvins wahrer Arbeit. Den Rest dieses Sommers war Measure sein Schüler und sein Lehrer zugleich. Während Alvin Measure das Machen lehrte, lehrte Measure ihn das Vatersein, das Ehemannsein, die Mannbarkeit. Der Unterschied war nur, daß Alvin kaum merkte, was er da lernte, während Measure sich jede neue Einsicht, jedes winzige Bruchstück der Macht des Machens mühsam erkämpfen mußte. Und doch verstand er es, Stück um Stück, und er lernte einiges über das Machen. Und Alvin begann zu begreifen, nach vielen

Weitere Kostenlose Bücher