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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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funkelten. Am nächsten Morgen, als Michael mit den Krümeln des Frühstücks noch am Kinn seine Buttermilch trank, erschienen ihm die Ereignisse des Vortages unwirklicher als je zuvor. Schon schwand die Schärfe der Erinnerung, verwandelte sich das tiefe Gefühl der Angst in Neugierde. In seinem Kopf schwirrten tausend Pläne für den Tag, der vor ihm lag, und er betrachtete den Rücken seiner Großmutter, die am Herd beschäftigt war, und fragte sich, ob er unbemerkt entwischen konnte. »Was glaubst du, wo du jetzt hingehst?« Er konnte nicht. Pflichtbewußt drehte er sich um. »Einfach raus.« Sie nickte. »Ist in Ordnung, wenn du mir nur ein paar Eimer Wasser vom Brunnen holst, wenn du draußen bist, und sie mir dann herbringst.« Er holte zwei Eimer aus der Speisekammer und ging damit zu der Pumpe, von der sie mit Wasser versorgt wurden. Er genoß es, die Pumpe zu bedienen und zu beobachten, wie das klare Wasser in die Eimer schoß. Es schmeckte nach Eisen; hartes Wasser, kalt und wohlschmeckend, nicht wie irgendein Leitungswasser. Die Quelle, aus der das Wasser gepumpt wurde, war noch nie versiegt, auch nicht in den Dürrejahren. Er brachte die Eimer ins Haus und stellte sie in der Küche, nicht, ohne ein bißchen Wasser zu verschütten. Danach war er frei, erlöst. Wie ein junges Fohlen schoß er über den Hinterhof und rannte auf die Felder. Zuerst traf er Rose. Sie stand zwischen den Hühnern, gluckste ihnen beruhigend zu und streute mit vollen Händen gelbliches Futter aus. Sie hatten ihren Teil des Hofs muldenförmig freigescharrt, und ihre Nester lagen in den umliegenden Hecken verstreut. Nur Rose und ihre Mutter wußten,wosie sich befanden.Oft konnte man die halbwilden Vögel auf die unterenÄste der Bäume flattern sehen. Es waren schlaue Tiere, und selten fiel eines von ihnen den Füchsen zum Opfer, die nachts durch die Hügel streiften. Der Gedanke an Füchse löste bei Michael Unbehagen aus, und ein Frösteln überlief ihn trotz der warmen Sonne.

    »Schlafmütze«, sagte seine Tante, ohne sich umzusehen und zischte den Hühnern, die durch Michaels Erscheinen unruhig geworden waren, besänftigend zu. »Ich mußte die Eier heute morgen allein einsammeln«, fuhr sie fort, aber er wußte, daß sie nicht verärgert über ihn war. Sein Beitrag zum Eiersammeln bestand üblicherweise in ein oder zwei Eiern aus den am besten sichtbaren Nestern. Sie mochte seine Gesellschaft, war morgens gerne mit ihm zusammen. Er sah ihr beim Füttern zu und erwog, ihr sein Geheimnis anzuvertrauen, überlegte es sich aber dann anders. Im Augenblick wollte er es lieber noch für sich behalten. »Du gehst sicher Angeln heute nachmittag, was?« fragte sie beiläufig und warf noch eine Handvoll Futter zwischen das Hühnergewimmel. Ihre langen, schmalen Arme waren sonnengebräunt und von kleinen goldenen Härchen übersät. Sie war barfuß, und Staub klebte an ihren taunassen Füßen. »Aye«, piepste Michael. Sie nickte. Noch immer gluckste sie ab und zu ihren Schützlingen zu. »Unten an der Brücke gibt es Forellen. Sie sind noch jung, aber doch schon eine lohnende Beute. Ich habe welche gesehen, als die Sonne bis auf den Grund des Flusses schien. Sie bleiben an den tiefen Stellen, dort wo die Weiden stehen.« »Laß deinen Schatten nicht auf das Wasser fallen«, sagte Michael automatisch. Es war etwas, das sie ihm beigebracht hatte, und Rose lächelte, als sie es hörte. »Braucht Mammy dich heute nicht mehr?« »Nein.« »Was hast du jetzt vor? Ich habe noch bis Mittag zu tun.« Plötzlich fühlte er sich wie ein Verschwörer. »Weiß nicht. Ich geh' vielleicht mal runter zum Fluß unten am Wiesengrund.« »Paß auf an der Böschung.« Diesmal sprach Rose automatisch. »An den Baumstümpfen kann man sich schnell ein Bein brechen.« Das konnte ich gestern nicht, dachte Michael, und es drängte ihn jetzt, sein Geheimnis zu erzählen. Die Stümpfe waren nicht da. Und ihn erfüllte plötzlich eine Heiterkeit, die ihn fast schwindeln ließ. Er rutschte in dem taunassen Gras aus, und die Hühner stoben nervös auseinander. »Paß doch auf, Tolpatsch! Los, verzieh dich jetzt, wir sehen uns später.« Sie versuchte die flatternde Schar wieder zu besänftigen. Onkel Sean behauptete, daß sie für jedes der Hühner einen Namen hatte, was sie aber mit Empörung bestritt. Michael war sich nicht sicher. Sie flüsterte ihnen manchmal merkwürdige Dinge zu. Er trollte sich. Der Tau drang langsam durch seine Schuhe. Es würde heute heiß

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