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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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der Brücke?« Michael nickte mißtrauisch. »Nun, Pat -dein Großvater -hat dort einmal ein altes Römerschwert gefunden, und es trug eine Inschrift auf der Klinge, die er nicht entziffern konnte.« »Das weiß ich. Jeder weiß es. Es ist in der Stadt im Museum. Das hat doch nichts mit Feen zu tun.«

    »Aye, aber dein Großvater hat mir erzählt, daß es einfach so im Gras lag, als er es fand, und daß er hätte schwören können, daß jemand ihn aus den Bäumen am Fluß beobachtete. Es war schon fast dunkel, und er war sich so sicher, daß dort jemand war, daß er schon hinübergehen wollte, um nachzusehen. Er dachte, es wären irgendwelche Landstreicher oder die Campell-Jungen -üble Burschen —, doch irgend etwas hielt ihn davon ab. Er hatte den alten Dämon bei sich, der damals allerdings nicht viel mehr als ein kleiner Welpe war, und der Hund grollte und knurrte und wirkte völlig verängstigt. Er machte keinen einzigen Schritt in Richtung des Waldes, obwohl Pat ihn verfluchte und ihm einen Tritt gab. Also nahm dein Großvater das Schwert, sagte sich, was soll's, zum Teufel, und rannte — rannte, Mike — zurück zum Haus, den Hund winselnd an den Fersen. Was sagst du jetzt?« »Das hat er nie jemandem erzählt. Er sagte, daß er es unter einem Brombeerstrauch gefunden hat.« »Nun ja, glaubst du etwa, daß ein erwachsener Mann — er war schon fast sechzig damals -gerne davon erzählt, daß ihn ein paar Schatten erschreckt haben wie ein kleines Kind?« Mullan grinste triumphierend und unterstrich sein Argument mit einer schnellen Handbewegung. Etwas Asche flog aus dem Pfeifenkopf und wurde vom Wind verweht. »Das hast du erfunden.« »Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Du kannst es glauben oder nicht. Aber eines werde ich dir noch sagen. Als ich so alt war wie du, hätte ich mir einen Satz heiße Ohren eingehandelt, wenn ich einem Älteren widersprochen hätte.« Für eine Sekunde wirkte Mullan fast grimmig, und man konnte sich den jungen Soldaten vorstellen, der an einem weit zurückliegenden Julimorgen aus dem Schützengraben gestürmt war. »Tut mir leid«, sagte Michael verdrossen. Er hatte dem alten Mann von den Fuchsgesichtern am Fluß erzählen wollen, aber er warsicher, daßernicht ernst genommen werden würde. Also würde es erst einmal weiter sein Geheimnis bleiben. Mullan zog sich an der Mistgabel hoch und nahm den Eimer auf. »Mach dir nichts daraus. Aber denk daran, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt ...« Er brach ab. »Aye. Mehr Dinge, als man sich vorstellen kann. Hör älteren Leuten zu, und du wirst vielleicht etwas lernen können. Ich muß jetzt weiter. Bleib sauber.« Und er hinkte davon, die Mistgabel über die Schulter gelegt wie einen Karabiner. Er summte ›Tipperary‹ und zog eine Rauchfahne hinter sich her. Nachdem Mullan gegangen war, setzte Michael seinen Weg zu der Flußsenke im Wiesengrund fort. Obwohl die Sonne schien, war es im Schatten der Bäume dämmrig. Unentschlossen stand er am Rand der Böschung und starrte hinunter, wo der Fluß rauschte. Baumstümpfe ragten wie Pflastersteine aus dem Waldboden. Er überlegte ... Was wäre wenn? Was wäre, wenn es wirklich das Kleine Volk in den Wäldern gab, wie in den Geschichten, die Rose ihm erzählte? Was, wenn es dort Wölfe und Bären gab, Trolle und böse Hexen -und auch Feen? Aber nicht solche, die in Blumen leben. Was, wenn sie groß, schweigsam und fröhlich wären, mehr wie Kobolde? Es gäbe ein Koboldkönigreich, mit Schlössern und verborgenen Gängen. Und es würde Ritter in Rüstungen und mit Schwertern geben und Frauen mit langen Haaren in Turmkammern. Was wäre, wenn es das alles wirklich gäbe? Und auf einmal hatte er ein unscharfes Bild vor Augen — vielleicht die Erinnerung eines anderen —, etwas, das vor langer Zeit an einem anderen Ort geschehen war oder das Vielleicht erst noch geschehen würde.

    Die Pferde waren erledigt, ließen erschöpft die Köpfe hängen. Der scharfe Geruch ihres Schweißes hing in der Luft, als Michael und Cat abstiegen. Auch ihre Beine zitterten vor Anstrengung. »Wir haben sie nicht abgehängt«, sagte Cat und schob sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Michael nickte. Er war zu müde, um sich ernsthaft darüber aufregen zu können. Die Angst hatte sie weit gebracht, aber jetzt schien die Müdigkeit langsam die Angst zu verdrängen. »Feuer«, sagte er. »Ich werde Feuer machen. Es wird dunkel. Die Nacht kommt.« Der Mond würde wieder scheinen.

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