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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Kaerney
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»Wir sind in der Nähe eines Dorfes, ein paar Meilen entfernt von der Südstraße, die fast durch den ganzen Wildwald verläuft. Wir können dort sein, bevor es Mittag wird.« »Die Dunkelheit ist die beste Zeit zum Stehlen«, sagte Cat, und der kleine Kobold nickte. »Die beste Zeit für unsereins, um unterwegs zu sein, aber jetzt, da wir das Gebiet der Höhle verlassen haben, müssen wir wachsam sein. Alle möglichen Wesen treiben nachts in den Wäldern ihr Unwesen, Jäger und Gejagte. Mich selbst werden die meisten von ihnen in Ruhe lassen, aber ihr beide habt den Geruch von Menschenblut an euch. Ein süßes Getränk für viele der Nachtwesen.« Michael hatte das Gefühl, daß Mirkady ihn anstacheln wollte, also schwieg er. Der Bronzedolch hing schwer und kalt an seiner Hüfte, aber er konnte sich nicht vorstellen, ihn zu benutzen. Er beschloß, das Gewehr bei einer günstigen Gelegenheit zu laden, bei einer zivilisierten Waffe zu bleiben. »Und wir finden besser etwas Wolfsmilch, um unsere Klingen damit einzureiben, für alle Fälle«, fügte Mirkady hinzu.

KAPITEL ZWÖLF
    Wolfsmilch. DerPub warzudieser Tageszeit überfüllt. Alle Tische waren besetzt, und auch zwischen den Tischen standen Gäste. Ihr Lärm und ihre Wärme erfüllten die Luft, und Zigarettenrauch schwebte wie eine Wolke über ihnen in der Abendsonne, deren Strahlen durch die Fenster fielen. Er schwitzte, nahm drei Bestellungen gleichzeitig entgegen und betätigte den Zapfhahn, so daß das Bier schäumend in das Glas schoß. Er addierte Rechnungen zusammen, versuchte sich alle Bestellungen zu merken und rechnete aus, wieviele Stundenernocharbeitenmußte. Er roch das Bier und den durchdringenden Geruch seines Schweißes, den Rauch in der Luft. Seine Füße schmerzten vom langen Herumstehen. Einen halben Meter entfernt von ihm preßten sich die Kunden an den Holztresen, das Geld in der geballten Faust, und versuchten, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein ganz normaler Samstag. Doch er warfroh, daßesvollwar.Erhaßte die Stille ebenso sehr wie die Dunkelheit. Der Druck der Körper war beruhigend. Nichts konnte ihm hier etwas anhaben; nichts, das nicht aus der Welt der Bürgersteige, des Asphalts, der Büros und des Tabakqualms stammte. Er war sicher. Er war auch müde, und sein Bauch hing ihm über den Gürtel. Zuviel Bier, dachte er, während er ein schäumendes Glas auf den Tresen stellte und zum nächsten griff. Zuwenig Bewegung. Er hatte schon immer den Eindruck gehabt, daß sein Körper am besten funktionierte, wenn ihm nur das Nötigste zugeführt wurde. So aber verwertete er jeden Speisekrümel, profitierte von jeder Erholungspause und verschwendete nichts. Alles war im Überfluß vorhanden — es war einfach zuviel. Weich war er geworden — ein großer weicher Mann mit roten Wangen und einem Doppelkinn. Mit einem Bauch, für den er noch zu jung war, und einem Herzen, das genauso strapaziert war wie seine zigarettengeschwärzte Lunge. Hier gab es keine Frischlinge am Spieß, dachte er und nahm mit unbewegtem Gesicht die Bestellung, die ein Kunde ihm entgegenbrüllte, auf. Nichts war geblieben von der Schärfe der Sinne, mit der er durch die Andere Welt gereist war. Er war dort wie ein Tier gewesen, reduziert auf das, was zum Überleben notwendig gewesen war, wie eine Speerspitze aus Stein, und obwohl es ihm das letzte abgefordert hatte, hatte es ihn an Leib und Seele hart gemacht und seinen Gedanken eiskalte Klarheit verliehen -und eine Angst, die ihn fast nie verließ.

    Seine Lunge sehnte sich nach einer Zigarette, und er kniff die Lippen zusammen, so daß sein Mund nur noch ein Strich war, und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Er preßte Longdrinkgläser an die Füllventile der Schnapsflaschen, langte in den Eimer mit den Eiswürfeln, zapfte immer wieder Bier und betätigte geräuschvoll die Registrierkasse, deren Schublade ihm jedesmal gegen den Bauch stieß, wenn er sie öffnete, wie um ihn daran zu erinnern, daß er noch da war. Noch da. Er spürte, daß es noch in ihm drin war -nicht irgendwo anders, sondern mitten in seinem Körper —, ein anderer Mann, ein anderes Leben als Erwachsener. Er war zweimal erwachsen geworden. Beim ersten Mal war er zu einem Waldläufer, einem Krieger geworden, der mit Wilden und Märchenfiguren Umgang hatte. Märchenfiguren. So eine kindische Bezeichnung. Die Wyrims. Merkwürdig, wie schwer es gewesen war, sich daran zu erinnern. Einige Dinge hatte er vergessen, so wie er die

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