Der magische Wald
eines Wolfes. Er wußte jetzt, daß es zwischen ihr und dem Werwolf eine Verbindung gab, daß sie mit jeder monströsen Kreatur, die er bisher gesehen hatte, verwandt war, aber dieser Gedanke störte ihn nicht mehr. Er legteihr dieHandauf den Nackenund streichelte das weiche Haar dort. Zu seiner Erleichterung lehnte sie sich gegen seinen Arm. »Erzähl mir von dieser Tante«, sagte sie. »Ich dachte, du weißt von ihr.« »Nur ein bißchen. Nur das, an was der
Wald sich erinnert. Sie war dunkelhaarig, groß und liebte das Land. Sie kam hierher, um etwas zu suchen, verirrte sich aber, und der Schwarze Reiter nahm sie mit.« »Wohin, Cat? Wo hat er sie hingebracht?« Sie zuckte mit den Schultern. »Es heißt, daß es im Wolfswald einen Ort gibt, an dem der Schwarze Reiter ein Schloß hat, in dem er Seelen gefangenhält. Aber dies ist im düstersten Teil des Wildwaldes, in seinem schlimmsten Teil, und sogar das Wyr-Volk fürchtet sich davor, dort hinzugehen.« »Ich habe keine Angst«, sagte Michael. »Ich habe dich nicht deshalb hierher gebracht, Michael.« »Warum dann?« »Was glaubst du wohl? Du wolltest kommen, und ich wollte dich hier haben
— um dir das Land zu zeigen, seine , Schönheiten und seine Wunder. Ich kann in deiner Welt nicht leben, also brachte ich dich in meine, um sie mit dir zu teilen. Und jetzt gibst du bekannt, daß du einen Auftrag zu erledigen hast, diese Lady retten mußt.« Etwas von der alten Schärfe war in ihrer Stimme, und ihre Augen blitzten. Michael grinste. »Du bist eifersüchtig, Cat.« »Eifersüchtig! Diese Frau ist eine Verwandte von dir, und sie ist älter.« »Das ist sie.« Aber unwillkürlich sah er Rose im Fluß vor sich, glitzerndes Wasser auf ihren nackten Schultern. Als sie die Höhle verließen, erklang keine Musik, strahlte kein Licht, ertönten keine Stimmen. Die Erde öffnete sich vor ihnen zu einem immer weiter werdenden Kreis, und die Nacht mit ihrem Geruch nach Regen und Lehm lag vor ihnen. In den Bäumen rauschte der Wind, und feiner Sprühregen umnebelte sie. Michael kniff schützend die Augen zusammen. Fancy stand geduldig am Fuß des Hügels, die Ohren angelegt und ihr Gepäck am Sattel. Er fühlte sich schuldig und rannte durch Regen und Wind zu ihr, stellte aber fest, daß sie kaum feucht war. Sie schnupperte interessiert an seiner neuen Kleidung. »Wie lange waren wir dort drin?« rief Michael Mirkady zu, der gerade die Tür zu der Höhle schloß. Noch während er hinübersah, wurde der Eingang enger und zog sich zu wie ein Vorhang. Ein letzter Lichtstrahl fiel zwischen die Bäume, und dann waren sie allein mit dem Wald und der stürmischen Nacht. »Einen Augenblick, oder zwei, mehr nicht. In meinem Königreich können wir dir soviel Zeit geben, wie du willst!« Er grinste diabolisch. Seine schwarze Haut sah im Regen aus wie nasses Ebenholz. »Ja, sicher«, murmelte Michael. Er und Cat trugen engsitzende Lederwämse, die bis zur Hüfte reichten. Sie schienen aus einer Art derbem Wildleder gefertigt zu sein, aber die Regentropfen perlten an ihnen ab wie Murmeln. Weite Kapuzen hingen über die Schultern — Cat hatte ihre über den Kopf gezogen -, die man mit einer Schnur um den Hals herum zuziehen konnte. Die Wamse saßen perfekt. Ein Teil von Mirkadys Gefälligkeiten. Cat trug ein gefährlich aussehendes Messer aus schwarzem Stein in einer Scheide an ihrer Hüfte und einen Lederbeutel unbekannten Inhalts auf dem Rücken. Sie sah mittelalterlich aus. Ihr Kurzbogen und der lederne Köcher mit den vielen schwarzgefiederten Pfeilen, die mehr als zwei Fuß lang waren, verstärkten diesen Eindruck noch. Michael hatte sich die Pfeile angesehen, und die grausam geformten Spitzen und die Runen und Symbole auf den Schäften hatten ihm einen Schock versetzt. An seiner eigenen Hüfte hing ein Bronzedolch mit einer breiten Klinge. Klinge und Griffstück waren aus einem durchgehenden Stück geschmiedet, und um den Griff war ein Lederband gewickelt. Es war eine schwere, plumpe Waffe, und die Scharten in der grün angelaufenen Klinge verrieten, daß sie häufig benutzt worden war. Er hatte Mirkady danach gefragt, und der kleine Kobold hatte ihn belustigt angesehen. Einen ›Leichenschäler‹ hatte er es genannt, und danach hantierte Michael noch vorsichtiger damit als zuvor schon. Er fühlte sich plötzlich verloren und hilflos, und ein Anflug von Heimweh überkam ihn, als er da im regennassen, finsteren Wald neben seinen ›nicht-ganzso-menschlichen‹ Begleitern
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