Der Makedonier
an nachzugeben. Philipp hat es geschafft.«
Lachios bemühte sich, es ebenfalls zu sehen, in dem Chaos eine Ordnung zu erkennen, und schließlich begriff er. Unter dem Ansturm der Makedonier war die Ecke des feindlichen Gevierts aufgebrochen, und der Versuch, den Durchbruch abzuwehren, schwächte die Illyrer auf ganzer Linie.
Wie auf ein unhörbares Signal hin bewegte sich nun der rechte Flügel der makedonischen Fußtruppe auf die illyrische Mitte zu. Eine Viertelstunde nach Philipps erstem Angriff sahen die Illyrer sich nun in die Zange genommen.
Eine Zeitlang schienen sie dagegenhalten zu können, doch plötzlich begannen ihre Reihen nachzugeben undaufzubrechen. Schneller als man es für möglich gehalten hätte, bekam der Kampf nun ein anderes Gesicht. Was als Schlacht begonnen hatte, wurde zu einem Gemetzel. Dieses riesige, fast zehntausend Mann starke Geviert fiel auseinander.
»Jetzt sind wir wieder an der Reihe«, verkündete Korous mit beinahe grimmiger Freude. »Wir wollen doch Philipp und seinen Bauernjungen nicht den ganzen Ruhm überlassen.«
Er schlug seinem Pferd mit der Breitseite seines Schwertes auf die Flanke und galoppierte zu seinen Männern zurück. Während die Hufschläge von Korous’ Pferd verklangen, sammelte Lachios’ Reiterflügel sich zum Angriff. »Ihr wißt, was ihr zu tun habt«, rief er ihnen zu. »Ja, inzwischen sollten wir es wissen«, entgegnete einer der Männer. »Wir haben es ja lange genug geübt.«
Einen Augenblick lang stimmte Lachios in das allgemeine Gelächter mit ein, doch dann hob er Ruhe gebietend den Arm.
»Trotzdem, noch ein letztes Mal. Zuerst aus vollem Galopp schräg angreifen, dann sammeln und noch einmal direkt von vorne. Wenn ihr sie auseinandergetrieben habt, bildet Verfolgertrupps und jagt alles, was sich noch bewegt. Alles klar?«
Ein Jubeln war die Antwort, und jemand stimmte den Schlachtruf an: »Für Philipp und für Makedonien!« Und dann sprengten sie alle über das offene Feld auf die Schlacht zu.
Es passierte, als Lachios noch etwa vierzig Schritt von dem illyrischen Speerträger entfernt war, den er sich als erstes Ziel ausgesucht hatte. Mitten im Galopp, das Schwert bereits gezogen, schien er plötzlich aus den Augenwinkeln heraus etwas zu bemerken, denn er drehte den Kopf. Der Pfeil durchbohrte sein linkes Auge. Ohne den Treffer zu spüren, der ihn das Leben kostete, glitt er vom Pferd. Er war tot, bevor er den Boden berührte.
Pleuratos führte den ersten Reiterangriff selbst an. Er erkannte sogar Philipp, der mit Schild und Speer in der vordersten Linie der makedonischen Fußtruppe stand und galoppierte schon auf ihn zu, um ihn zu töten, wurde dann aber abgetrieben. Was für ein König ist denn das fragte er sich, der seine Armee zu Fuß befehligt und Seite an Seite mit gemeinen Soldaten kämpft?
Der Angriff war natürlich eine Katastrophe. Er konnte die Verteidigungslinien des Feindes nicht aufbrechen, und die Illyrer wurden übel zugerichtet von den Makedoniern, die mit größerer Wucht angriffen, als Pleuratos es erwartet hatte. Vielleicht waren ihre Pferde größer.
Und doch gab er die Hoffnung auf den Sieg nicht auf, bis er sah, daß seine Schlachtordnung unter dem Ansturm von Philipps Fußsoldaten aufbrach wie ein Ei zwischen den Zähnen eines Fuchses. In diesem Augenblick, als Panik sich unter seinen Männern ausbreitete und aus dem Schlachtfeld eine Richtstätte wurde, wußte er, daß allesverloren war.
Es gelang ihm, noch etwa dreißig seiner Reiter um sich zu versammeln, mit denen er hoffte, einen letzten Angriff gegen Philipps Fußtruppen zu führen, doch die feindliche Reiterei, die von beiden Seiten heranstürmte, machte das unmöglich. In einem einzigen wütenden Sturmlauf zerschlugen die makedonischen Reiter seine Armee, so daß nichts mehr von ihr übrigblieb als ein bewaffneter Pöbelhaufen, der nur den einen Gedanken hatte, zu fliehen und die eigene Haut zu retten. Plötzlich liefen Pleuratos und die wenigen ihm verbliebenen Gefolgsleute Gefahr, von den eigenen Truppen überranntzu werden.
»Wir müssen weg von hier!« zischte einer der Männer ihm zu. »Wir müssen fliehen, bevor das feige Pack den Paß so verstopft, daß man zu Pferd nicht mehr durchkommt.«
»Es ist besser, hier zu sterben, besser, in der Schlachtvor den Augen unserer Feinde zu fallen, damit sie uns nicht für Weiber halten…«
Aber niemand hörte ihm zu. Pleuratos sah sich um und merkte, daß er allein war. Es war der schrecklichste
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