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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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doch keiner von beiden war eine sichere Wahl. Das Leben war für ihn zu einer Falle geworden, in der er sich immer mehr verfing.
    Die einzige Ablenkung boten ihm ausgelassene Festlichkeiten, und auch die konnten ihn von Mal zu Mal weniger aufheitern. Immer häufiger saß er bei den nächtlichen Gelagen, mit denen er den Beginn seiner Herrschaft feierte, nur noch in mürrischer Trunkenheit da, sah zu, wie seine Edlen sich mit Trinkschalen und fettigen, halb abgenagten Rinderknochen bewarfen und fragte sich, wie er die Gesellschaft dieser unflätigen Rohlinge überhaupt ertragen konnte. Noch vor einem Monat war er einer der ihren und glücklich gewesen; doch König zu sein, so schien es, hieß, der nackten Wahrheit ins Gesicht sehen zu müssen. Die Götter mußten wahrlich das Haus der Argeaden mit einem Fluch belegt haben, denn der König der Makedonier war der Hüter einer Herde Schweine.
    »Mein Gebieter findet keinen Gefallen an dem hier?«
    Wie ein Mann, der von einem lauten Geräusch aufgeschreckt wird, erkannte Alexandros im ersten Augenblick die Stimme nicht. Dann drehte er den Kopf und sah Ptolemaios rechts von sich auf der Bank sitzen, auf dem Platz, den nach altem Brauch nur einnehmen durfte, wer vom König ausdrücklich dazu eingeladen worden war.
    Ptolemaios war ein naher Verwandter und sein Freund. Er war wie ein älterer Bruder, allerdings einer, der von der direkten Erbfolge ausgeschlossen war und deshalb keine Gefahr darstellte. Außerdem verlangte er nichts für sich selbst. Und was konnte er, als Liebling des verstorbenen Königs und als Vertrauter des jetzigen, auch noch verlangen, das er nicht bereits hatte? Alexandros konnte gar nicht anders, als diesem Mann zu vertrauen, denn in seiner Gegenwart ging es ihm augenblicklich besser, und deshalb war er sogar bereit, seine Anmaßung zu übersehen.
    »Sie sind kaum besser als Rinder«, murmelte Alexandros und machte eine zurückhaltende Geste, die trotzdem den ganzen Saal mit einbezog.
    »Und das ist auch gut so, denn Rinder lassen sich leicht führen.«
    Ptolemaios lächelte, und obwohl Alexandros das Lächeln auf unerklärliche Weise beunruhigend fand, tröstete ihn der Gedanke. Dennoch legte er die Stirn in Falten, da ihm das sicherer erschien.
    »Die nicht. Von denen hält sich doch jeder für den Hirten oder wenigstens für den Leitbullen.«
    Alexandros warf den Kopf zurück und lachte auf, brach jedoch sofort wieder ab, denn plötzlich wurde ihm bewußt, daß er betrunkener war, als er geglaubt hatte.
    Er sah Ptolemaios an und fragte sich, ob er sich vor ihm lächerlich gemacht hatte, doch auf dessen Lippen war noch immer dieses unergründliche Lächeln, als wäre es in sein Fleisch geschnitzt.
    »Ich versuche sie zu führen, diese Rinder, die meine Untertanen sind«, sagte der König von Makedonien, fast wie zu sich selbst, »aber an jeder Kreuzung senken sie die Köpfe und scharren mit den Hufen, weil sie in die eine Richtung wollen, während ich sie in die andere führen will. Dabei ist das nicht einmal Ungehorsam – noch nicht –, nur Verderbtheit.«
    »Die Kunst eines Königs besteht darin, gar nicht den Eindruck zu erwecken, als führe man in die eine oder in die andere Richtung, sondern seine Untertanen in dem Glauben zu wiegen, es gebe nur die eine. Die meisten Männer lassen sich von Wahlmöglichkeiten verwirren. Sie sind immer glücklicher, wenn sie gar nicht merken, daß es welche gibt.«
    Ptolemaios’ Lächeln verschwand, und er senkte die Stimme wie ein Liebhaber, der ein Geheimnis verrät.
    »Sprechen wir von der gleichen Sache, mein Gebieter?« fragte er. »Sprechen wir von der Nachfolge – und von deinem Bruder Philipp?«
    Alexandros konnte nur nicken, so bestürzt war er über die Dreistigkeit der Frage wie über das unheimliche Gefühl, daß Ptolemaios seine Gedanken lesen konnte.
    »Es ist, wie ich vermutet habe.« Ptolemaios machte ein ernstes Gesicht, wie ein Arzt, der die ersten Anzeichen einer Krankheit entdeckt… »Einem neuen König ist es nie wohl auf seinem Thron, vor allem wenn er keinen Sohn hat. Er fürchtet sich vor seinen Untergebenen wie vor einer flatterhaften Frau, die ihn sitzenläßt, sobald ein anderer Mann ihr gefällt. Philipp ist noch ein Junge, doch schon jetzt haften ihm Zeichen künftiger Größe an. Man munkelt sogar, der alte König habe in seinen letzten Augenblicken den Willen der Götter begriffen, undwenn er nur noch eine Stunde länger gelebt hätte, hätte er dich enterbt und deinen Bruder

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