Der Makedonier
konnte er glauben, daß das Leben nicht das war, was es zu sein schien, ein ungeheurer, sinnloser Witz. Er verließ ihn nie, ohne neuen Mut gefaßt zu haben.
Es muß auch nicht immer Zufall sein, wenn zwei junge Leute sich an einem Ort wiedersehen, wo sie sich schon einmal begegnet waren. Ein Platz, der einmal Glück gebracht hat, kann wieder Glück bringen, das weiß jeder Jäger und jeder Liebende. Und wer kann sagen, welche Regungen ihres Herzens Arsinoe an diesen Ort geführt hatten, um den Göttern des Lebens zu opfern, wer kann sagen, ob es ihre Frömmigkeit war oder etwas anderes?
Der Rest war einfach. Ein Nicken, ein Lächeln, ein Wort und das Versprechen, sich wiederzusehen. Die Liebe gedeiht schnell in den heißen Herzen der Jugend. Bald konnte Philipp kaum noch an etwas anderes denken. Bei den Männern gingen ihm die Worte leicht über die Lippen, doch in ihrer Gegenwart war er fast sprachlos. Erbrauchte sie nur anzusehen, und schon begann sein Herz zu rasen, und seine Kehle trocknete aus vor Sehnsucht, die mehr Schmerz war als Freude.
»Könntest du…«, stammelte er dann. »Darf ich dich wiedersehen…?«
»Aber du siehst mich doch jetzt«, erwiderte sie mit einem Lächeln, das ihn zu verspotten und gleichzeitig seine Seele zu erfreuen schien.
»Ich kann hier nicht reden. Ich würde dich mit meinen Augen verschlingen, ich würde…«
»Wenn du mich wirklich verschlingen willst, ist es vielleicht besser, wenn wir uns nicht wiedersehen.«
Doch sie verstand, und der Hunger in ihrem Herzen war so groß wie der seine.
»Vielleicht irgendwann einmal«, sagte sie. »Aber nicht jetzt – noch nicht.«
Dann lächelte sie wieder, und bei diesem Lächeln wurde ihm flau im Magen.
Fünf- oder sechsmal hatte er sie seit ihrer Kindheit gesehen, in der sie gemeinsam im Sand gespielt und sich um eine farbige Holzkugel gestritten hatten. Wo waren damals ihre blitzenden Augen und ihre herbstlaubfarbenen Haare gewesen? Er hatte sie einfach nicht bemerkt. Jetzt verzehrte er sich nach ihr. Sein Verstand war wie betäubt, und er konnte nicht schlafen. Die Liebe ist etwas, das die Götter uns schicken, wenn sie uns quälen wollen.
Oder vielleicht um unsere Seelen gegen die Zeit zu schützen, wenn alles andere zerbrochen im Staub liegt.
Seit seiner Rückkehr nach Pella wurde Ptolemaios von den Forderungen zweier gieriger Liebender an den Rand der Erschöpfung getrieben. Eurydike verlangte jede Nacht nach ihm, und ihre Lust schien nie befriedigt zu sein, ja, sie schien sich aus sich selbst zu nähren. Mitten in der schwärzesten Nacht lagen sie da, aneinandergeklammert, schweißfeucht und atemlos. Es war beinahe so, als habe Eurydike vor, sich mit der Hitze ihrer Leidenschaft selbst zu verbrennen.
Und dann war da noch Praxis mit seinen blonden Locken und dem Sklavenherzen, der unterwürfig wie ein Hund vor der Tür zu Ptolemaios’ Gemächern wartete, manchmal sogar bis zum Morgengrauen, Meistens war er mit einer anständigen Tracht Prügel zufrieden, doch von Zeit zu Zeit verlangte seine Lust nach mehr.
Tagsüber saß Ptolemaios in der Ratsversammlung des Königs, obwohl er vor Schmerzen in seinen Lenden kaum sitzen konnte. Er hatte es mit kaltem Wasser versucht, mit Zitronensaft, erhitztem Schlamm und anderen Mitteln, aber sein Glied war zerschunden und wund. Nachts wußte er oft nicht, ob er seine Aufgabe würde erfüllen können, doch irgendwie schaffte er es immer wieder.
Die Mutter des Königs und der kriecherische Knabe. Bald würden sie die ihnen zugedachten Rollen in dem kleinen Drama spielen, an dessen Aufführung er arbeitete: Der Tod des Alexandros. Selbst Euripides hätte es sich kaum besser ausdenken können. Es mußte sehr bald passieren, denn sonst würde er an Erschöpfung sterben oder seine Manneskraft verlieren, bevor er Gelegenheit hatte, den Beifall des Publikums zu genießen.
Seine Frau, das wußte er, weinte sich nachts in den Schlaf und fragte sich, worin ihre Sünde wohl bestand, daß die Götter sie so mit Mißachtung durch ihren Gatten bestraften. Nun, sollte sie weinen. Sie würde noch viel heftiger weinen, wenn ihr Bruder erst tot war. Und dann noch mehr, wenn sie erkannte, daß sie nicht mehr gebraucht wurde.
Schließlich war für Ptolemaios die Zeit gekommen, seinen Plan umzusetzen und Praxis, zum ersten und einzigen Mal, auf seine Pflicht als Mann vorzubereiten. »Weißt du, was du tun mußt?«
»Ja«, antwortete Praxis und berührte die Hand seines Geliebten, die das Schwert
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