Der Makedonier
nicht…
Wie immer während eines Feldzugs nahm der König sein Essen aus demselben Kochtopf und trank den gleichen Wein wie der ärmste Mann, der in seiner Armee einen Speer trug. Um ihn herum saßen die tapfersten Edlen seines Landes, doch auch sie lebten und aßen wie gemeine Soldaten. In diesen Tagen trank Alexandros vielleichtetwas mehr, und seine Gefährten nicht viel weniger, aber bei Sonnenuntergang hatten sie gerade genug, um den Stachel der Niederlage nicht mehr ganz so heftig zu spüren und vielleicht ein bißchen unvorsichtig zu werden. Anders ließ sich nicht erklären, was passierte, als Alexandros zufällig den Kopf hob und die Umrisse eines näher kommenden Pferdes mit Reiter erblickte.
Ich kenne dieses Pferd, dachte er und rief dann laut: »Ich kenne dieses Pferd!«
Er stand auf.
Ja, er hatte sich nicht geirrt.
»Mein kleiner Bruder… bei den Göttern, was tust du denn hier?«
Aber Philipp warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu und sah dann an ihm vorbei. Und der Blick, der nun aus seinen Augen stach, hätte, wie Sonnenlicht durch Wasser, glatt durch einen Mann hindurchgehen und sich in seine Seele brennen können.
»Ptolemaios, schau nur, wer…«
Alexandros drehte sich ein wenig um, gerade so viel, daß er sah, was sein Bruder gesehen hatte; den Prinzen Ptolemaios, der, das Gesicht angespannt, den Blick überschattet von einer Mischung aus Angst und Haß, Philipp anstarrte, als hätte man ihm eben das Werkzeug seiner Hinrichtung gezeigt.
11
IN DIESER NACHT schlief Philipp im Zelt seines Bruders, und als er am nächsten Morgen aufwachte, zog er sich eine frische Tunika an und wusch sich sein Gesicht mit Wasser, das noch nach Schnee roch. Er sollte an diesem Tag dem großen Pelopidas vorgestellt werden, eineEhre, die als Entschädigung dafür gedacht war, daß er ; Ptolemaios nicht töten durfte.
Denn Alexandros glaubte ihm ebenfalls nicht, oder zumindest hatte er behauptet, daß er ihm nicht glaube.
»Du hast Angst vor ihm«, hatte Philipp am Ende ihres Streits gesagt. »Warum? Er ist doch auch nur ein Mensch. Ich hätte nie geglaubt, daß du je vor einem Menschen Angst haben würdest.«
»Ich habe keine Angst vor ihm, und er ist kein Verräter. Prinz Ptolemaios ist, wenn ich dich daran erinnern darf, ein Verwandter, und er hat dieser Familie schon treu gedient, als wir beide noch gar nicht geboren waren.«
»Ja, er ist ein Verwandter. Er ist mit unserer Schwester verheiratet und hat sich schon zu unserer Mutter ins Bett gelegt, als unser Vater noch am Leben war. Ich bin überwältigt von diesen Beweisen seiner Treue.«
Einen Augenblick lang sagte Alexandros gar nichts -er war zu wütend. Ptolemaios’ Beziehung zu Eurydike war ein Thema, das ihm Unbehagen bereitete. Außerdem fiel ihm nicht sofort eine Antwort ein.
»Du hättest ihm nicht drohen sollen«, sagte er schließlich.
»Ich hätte es nicht tun sollen«, rief Philipp und stampfte mit dem Fuß auf wie ein zorniges Kind. »Zu dieser Zeit hätte er bereits tot sein sollen, und zwar durch deine Hand, nicht durch meine. Außerdem war es keine Drohung, als ich sagte, ich wolle sehen, ob er Blut oder Gift in den Adern hat. Eine Drohung ist etwas, das zu erfüllen man gar nicht vorhat, aber ich hatte wirklich vor, ihn zu töten. Du hättest mich nicht aufhalten sollen, Bruder. Ich kann nur hoffen, Ptolemaios läßt dich noch so lange am Leben, daß du es bereuen kannst.«
Eine Wache hob die Zeltplane vor dem Eingang an und spähte herein. Es war nicht zu erkennen, ob er besorgt oder verlegen war.
»Alles in Ordnung, Kreon«, sagte Alexandros leise. »Prinz Philipp macht nur seinem Ärger Luft.«
Philipp warf dem Mann einen so bösen Blick zu, daß der die Zeltplane fallen ließ, als hätte sie plötzlich Feuer gefangen.
»Du hättest mich ihn töten lassen sollen«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Du hast dich verändert, Philipp.« Alexandros sah ihn mit zur Seite geneigtem Kopf nachdenklich an, beinahe so, als würde er versuchen, das Alter eines Pferdes zu schätzen. »Wir haben dich einen Winter lang zu den Barbaren geschickt, irgendein gewöhnlicher Gauner versucht dich zu töten – wahrscheinlich nur, weil er dir deine Börse rauben wollte –, und du kommst als ein ganz anderer Mensch zurück.«
»Ich bin erwachsen geworden, mein König. Ich habe meine Unschuld abgelegt und bin in die Welt der Männer eingetreten. Ich kann’s dir nur empfehlen.«
Einen Augenblick sah Alexandros aus,
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