Der Makedonier
schienen einander nicht mehr zu beachten. Aber bei Philipp senkte der große General und Staatsmann den Kopf undflüsterte mit ihm wie mit einem Vertrauten, als würden die beiden sich schon jahrelang kennen. Ihre Wortwechsel dauerten manchmal mehrere Minuten, und wenn Philipp sprach, schenkte ihm Pelopidas seine ganze Aufmerksamkeit und vergaß dabei sogar manchmal zu lächeln. Es sah aus wie eine Unterhaltung zwischen zwei Gleichrangigen.
Nachdem Ptolemaios den dreien etwa eine Stunde lang zugesehen hatte, erkannte er überrascht, daß er eifersüchtig war. Alexandros war erwartungsgemäß zu eitel und zu dumm, um etwas zu bemerken, aber Ptolemaios bemerkte es und spürte es fast wie einen körperlichen Schmerz. Er beneidete Philipp um das Interesse und die Achtung eines so großen Mannes, denn ihn, Ptolemaios, hatte Pelopidas noch nie so ernst genommen. Und in diesen Neid mischte sich Angst – Angst, die ihn immer überkam, wenn er an Philipp dachte –, denn er war gezwungen, sich zu fragen, welche Vorzüge dieser Junge wohl besaß, die ihm fehlten.
Aber was es auch war, es würde der Vergessenheit anheimfallen, sobald sie nach Pella zurückgekehrt waren. Philipp war ohne seinen Bruder nichts anderes als ein schlauer Junge, den man bedenkenlos ignorieren konnte, und für Alexandros hatte Ptolemaios zu Hause eine Überraschung vorbereitet.
Schließlich gab Philipp es auf. Er konnte seinen Bruder nicht davon überzeugen, daß Ptolemaios ein gefährlicher Verräter war, den man vernichten mußte wie eine giftige Viper. Zwar zweifelte er nicht an seiner Überzeugung, aber das Gewicht von Alexandros’ Unglauben und das Ansehen, das Ptolemaios nach seinen Verhandlungen mit Pelopidas genoß, ließen ihn zu dem Schluß kommen, daß es besser war zu schweigen. Er wurde von anderen nicht gern für einen Trottel gehalten.
Na schön, dachte er, wenn Alexandros an seiner Sicherheit nichts liegt, kann ich ihn nicht zur Einsicht zwingen. Der König muß selbst entscheiden, wem er glaubt.
Und so kam es, daß, nachdem die Verträge mit den Thebanern geschlossen waren und die Edlen des Königs, die ihre Niederlage feierten wie einen Sieg, den letzten Becher Wein mit ihren Besiegern geleert hatten, Alexandros, sein Bruder, sein enger Freund und Vetter Ptolemaios und die ganze makedonische Armee sich auf den Weg nach Pella machten, als wäre nichts passiert.
Fünf Tage später hatten sie die Stadttore erreicht, und alle waren noch am Leben. Philipp gab sich deshalb, weniger beschämt als angeekelt, nur noch seinem persönlichen Zeitvertreib hin.
Dabei war er allerdings nicht allein. Man war allgemein erleichtert, daß der Krieg mit Theben abgewendet worden war, und eine Stadt ist nie ausgelassener als zu Zeiten, da es in ihr von gedemütigten Soldaten wimmelt. Es wurde viel getrunken nach der Rückkehr der Armee, und die Huren verdienten gutes Geld. Auch die Gelage von Alexandros und seinen Edlen waren nie fröhlicher gewesen.
Philipp, in dem noch immer die Wut kochte, widmete sich zunächst der Jagd. Ganz allein ritt er über die weiten Ebenen, blieb manchmal zwei oder drei Tage aus und richtete unter den Hirschen und Wildschweinen der Gegend ein großes Blutbad an.
Einmal tötete er einen Eber, der beinahe so groß war wie der in Lynkestis. Das Fett und die Haut verbrannte er als Opfer, um den Neid der Götter zu beschwichtigen, briet sich eine Schulter zum Abendessen und überließ den Rest den Krähen. Nicht einmal den Kopf nahm er mit nach Pella, obwohl ihm eine solche Jagdtrophäe einen Platz unter den Gefährten des Königs eingebracht hätte. Keinem Menschen erzählte er von dieser Großtat. Er schmollte noch immer.
Und als er sich schließlich wieder von der Jagd abwandte, tat er es nicht, um sich mit seinem Bruder zu versöhnen, sondern weil seine Base, die Prinzessin Arsinoe, zum zweitenmal in sein Leben getreten war.
Gesehen hatte er sie, wie beim erstenmal, vor dem Tempel der Athene.
Obwohl nur von untergeordneter Bedeutung, war das Heiligtum der blauäugigen Athene doch nie ohne Opfergaben, weil Philipp, der glaubte, daß die Göttin ihre schützende Hand über sein Leben hielt, ihr mit Weizenkuchen und Honig seine Dankbarkeit zeigen wollte. Fast jeden Morgen ging er in den Tempelbezirk, um zu opfern und zu beten. Das war der einzige Ort in der ganzen Stadt, an dem er seinen Frieden fand, als würde er nur dort den Zweck seines Lebens erkennen. Nur in den engen Mauern dieses kleinsten aller Tempel
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