Der Makedonier
Reiterei sehr wirkungsvoll einsetzt. Außerdem sind die makedonischen Pferde größer.«
Epameinondas schien einen Augenblick nachzudenken doch dann hob er einen der riesigen Hoplitenschilde auf die überall verstreut lagen, und gab ihn Philipp.
»Da, nimm den auch«, sagte er und drückte Philipp einen Speer in die Hand, der eineinhalbmal so groß war wie er. »Also, wenn du ein Reiter wärst, würdest du eine Mauer aus derart bewaffneten Männern angreifen? Der Schild besteht aus vier Schichten Ochsenleder, verstärkt mit Bronzebändern. Einen Pfeil wehrt der mühelos ab, und es gibt kaum einen Speerwerfer auf der Welt, der stark genug ist, ihn zu durchstoßen. Wie würdest du einen solchen Mann von einem Pferderücken aus angreifen? Wie würdest du verhindern, daß du aufgespießt wirst?«
Beschämt und verlegen steckte Philipp seinen linken Unterarm durch die Schlaufen an der Innenseite des Schildes und prüfte sein Gewicht. Aus verletztem Stolz heraus hatte er einem der größten Soldaten der Welt widersprochen, und jetzt mußte Epameinondas ihn für einen grünen Jungen halten, der nicht einmal das Hirn eines Truthahns hatte.
Wirklich, ein Mann, der einen solchen Schild während eines ganzen langen Waffengangs tragen konnte, war alles andere als ein Schwächling.
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte er und räusperte sich, um seine Verlegenheit zu verbergen. »Eine Phalanx aus solchen Männern ist wahrscheinlich uneinnehmbar wie eine Schildkröte.«
Zuerst verstand Philipp nicht, warum Epameinondas lachte.
»Mein junger Philipp von Makedonien, ich glaube, du hast das Zeug zum Feldherrn in dir, denn du hast sofort erkannt, was die Spartaner in dreihundert Jahren nicht begreifen konnten. So uneinnehmbar wie eine Schildkröte, ja, und genauso schwerfällig.«
Epameinondas sprach offen über die Beschränkungen einer Hoplitentruppe. »Sie sind so schwerbewaffnet, daß sie eigentlich nur auf ebenem Gelände kämpfen können, und deshalb waren die Schlachten zwischen griechischen Armeen seit Menschengedenken kaum mehr als ein Hinundhergeschiebe, bei dem die eine Seite versuchte, den Gegner zu überwältigen, seine Disziplin zu zerstören und ihn zur Flucht zu zwingen. Die Eroberung des Schlachtfelds war der einzige Sieg, den ein Heerführer sich erhoffen konnte, denn eine Verfolgung ist ziemlich schwierig für Männer mit körperlangen Schilden und voller Rüstung. Und das bedeutete, daß der Feind sich immer wieder neu aufstellen und am nächsten Tag wieder in den Kampf ziehen konnte. Nichts wurde deshalb je endgültig beigelegt, und deshalb war niemand je wirklich sicher. Sieg und Niederlage waren gleich unwirklich. Wie du dir sicher vorstellen kannst, wurde die ganze Sache mit der Zeit fast zu einem Kinderspiel. Ich habe es mir deshalb zur Lebensaufgabe gemacht, eine Kriegführung zu entwickeln, die Entscheidungen bringt.
Eine Armee ist erst dann wirklich besiegt, wenn sie als kämpfende Truppe zerstört ist – und wenn man sie verfolgt, gestellt und ihr so viele Verluste zugefügt hat, daß sie für niemanden je wieder eine Bedrohung darstellen kann. Hier beweist die leichter bewaffnete Peltastentruppe ihren Wert, da sie den Gegner verfolgen kann. Sie kann im Lauf ihre Formation beibehalten und einen in Panik geratenen Feind überrollen wie ein Mühlstein, der Getreide zermahlt.«
»Aber wäre dazu die Reiterei nicht doch besser geeignet?« fragte Philipp. Sie saßen beim Abendessen in Pammenes’ Haus, und er hatte genug vom Wein seines Gastgebers getrunken, um sich erneut mit einem Einwand vorzuwagen.
Epameinondas runzelte die Stirn, doch Pammenes, derfast während der gesamten Unterhaltung geschwiegen hatte, brach plötzlich in Gelächter aus.
»Philipp, mein junger Freund, du mußt warten, bis Pelopidas aus dem Norden zurückkommt, wenn du etwas über die Reiterei erfahren willst«, sagte er schließlich. »Epameinondas würde dir nicht mal zugestehen, daß Pferde vernünftige Lasttiere abgeben.«
»Das stimmt nicht.« Epameinondas nahm seine Trinkschale in die Hand und stellte sie dann wieder ab, ohne sie an die Lippen geführt zu haben. Man merkte deutlich, daß er sich große Mühe gab, nicht beleidigt zu wirken, obwohl er es offensichtlich war. »Pelopidas hat immer wieder bewiesen, daß die Reiterei bei der Entscheidung einer Schlacht eine sehr wichtige Rolle spielen kann. Ich, der ich an seiner Seite gegen die Spartaner gekämpft habe, wäre der letzte, der seine Verdienste
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