Der Makedonier
schmälert.«
»Es tut mir leid, mein alter Kamerad«, sagte Pammenes und legte seinem Freund die Hand auf den Arm. »Ich wollte nicht andeuten…«
»Ich weiß, daß du es nicht wolltest.« Die beiden Männer, die sich die höchste Macht nicht nur über Theben selbst, sondern auch über den Bund der von ihm beherrschten Staaten teilten, reichten sich über den Tisch hinweg die Hände, und diese Geste der Versöhnung bewies deutlicher, als Worte es konnten, das unbedingte Vertrauen, das sie ineinander hatten. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber er rührte Philipp bis in die Tiefen seiner Seele, zeigte er doch, was möglich war, wenn Ehrgeiz durch Großmut ersetzt wurde.
In Pella wären sie sich an die Kehle gegangen. »Ja, ich glaube«, fuhr Epameinondas fort, als wäre nichts geschehen, »daß sogar Pelopidas, wäre er jetzt unter uns, der Fußtruppe die größere Bedeutung zugestehen würde. Die Reiterei kann sicher, wenn es um den Endsieg geht, das Zünglein an der Waage sein, aber sieist mit zu vielen Nachteilen belastet, um mehr als eine Hilfstruppe zu sein.«
Er nahm seine Schale und trank diesmal auch daraus, doch bevor er sie wieder abgestellt hatte, verdüsterte schon wieder der Schatten unterdrückten Zorns sein Gesicht.
»Aber es ist offensichtlich, daß du mir das nicht glaubst, Prinz.«
Für den Augenblick blieb Philipp die Qual einer Antwort erspart, denn Pammenes ließ schon wieder sein unmäßiges Lachen hören.
»Mein Freund Epameinondas glaubt, daß, nur weil er über einige der besten Armeen der Welt triumphiert hat, niemand das Recht hat, sein soldatisches Urteilsvermögen in Frage zu stellen.«
»Das würde mir und jedem anderen als vollkommen gerechtfertigt erscheinen.« Philipp richtete diese Bemerkung an Pammenes, aber aus den Augenwinkeln heraus sah er das schwache Lächeln auf Epameinondas’ Lippen. »Ich bin weder so unreif noch so dumm, mich mit dem größten Heerführer der Welt über Kriegführung zu streiten. Ich bin nur überrascht, da in meinem Land die Fußtruppe zugunsten der Reiterei vernachlässigt wird. Ich möchte lernen…«
Nun lachte Epameinondas.
»Ganz offensichtlich sollen die Dienste, die unsere junge Geisel hier Makedonien zu erweisen gedenkt, nicht nur diplomatischer, sondern auch militärischer Natur sein.« Er beugte sich vor und gab Philipp einen gutmütigen Klaps auf den Kopf. »Ich bin lange genug auf der Welt, mein Junge, um zu wissen, wann man mir schmeichelt, aber es ist nur klug von dir, die Eitelkeit derer, die die Welt groß nennt, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.«
Eigenhändig goß der Held von Leuctra frischen Wein in Philipps Trinkschale. Als er dann fortfuhr, sprach er wie zu einem alten Freund.
»Vielleicht lege ich jetzt den Grundstein für eine Katastrophe, die Theben in zehn oder zwanzig Jahren ereilen wird, aber ich glaube, ich tue nichts anderes, als dir zu erklären, was du nach einigen Monaten unter uns von selbst erkennen würdest. Deshalb will ich dich aufklären über die Beziehung zwischen Fußtruppe und Reiterei…«
Die Sommerhitze lag so drückend auf den Ebenen Böotiens, daß die Luft flirrte. Man spürte das sengende Gewicht der Sonne auf seinem Rücken, und wenn man aufsah, traf einen ihr Licht wie der Schlag eines Hammers. Die Soldaten standen früh auf, um den Drill in den kühlen Morgenstunden hinter sich zu bringen, und nachmittags versteckte ganz Theben sich im Schatten. Es war fast so, als schliefe die Stadt.
Philipp verbrachte die Nachmittage gern in einem Weinladen mit dem Namen >Zur Gelben Feige<, der nur wenige Schritt hinter dem Haupttor lag. Es gefiel ihm dort, weil der Wein nicht so unanständig verwässert war wie anderswo, weil die Besitzerin, eine noch junge und hübsche Witwe, sich gern mit ihm abgab und weil dort viele Söldner verkehrten.
Griechenland war voll von Männern, die keinen anderen Beruf hatten als den des Soldaten und die für jeden kämpften, der sie bezahlte. Sie kannten kein Vaterland, keine Vorurteile und keine Treue außer zu ihren jeweiligen Heerführern. Weil ihr Leben sie überallhin führte -einige von ihnen hatten sogar für den König von Persien gegen ihre eigenen Heimatstädte gekämpft –, kannten sie keine Voreingenommenheit gegen Fremde.
Philipp war unter ihnen sehr beliebt. Er war von edler Geburt, aber nicht hochnäsig. Im Gegenteil, er schien diese rauhen Soldaten mit dem Staub von tausend Straßen an ihren Sandalen zu bewundern, so als wären die
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