Der Maler Gottes
Bildschnitzer. Die Werkstatt ist zu klein, sie reicht nicht, um die Mäuler zweier Familien zu stopfen. Johannes wird sie übernehmen, und du gehst nach dem Sommer zu den Antonitern ins Kloster.«
Nachdenklich betrachtet er seinen jüngsten Sohn, sagt dann: »Matthias, du hast keine Gabe fürs Malen und Schnitzen. Erbauen muss man die Menschen mit den Bildern und Statuen, nicht in Verwirrung stürzen. Dein Verstand jedoch verweigert die Erbauung. Immer stellst du nur Fragen, die die Verwirrung deines Geistes zeigen.« Der Vater hat mehr zu sich als zu Matthias gesprochen, achtet nicht auf das verständnislose Gesicht seines Sohnes. Er zieht den Jungen weiter, und bald haben sie die Papiermühle erreicht.
Die Geschäfte sind schnell abgewickelt. Georg, der Papiermacher, schenkt seinem Patensohn Matthias ein paar Papierabfälle, grobfaserige Stücke, zu schlecht, um sie zu verkaufen. Ehe der Vater es sieht, steckt Matthias die Stücke unter seinen Kittel.
Wenig später sitzen sie im Grünen Krug, einem Wirtshaus am Markt. Die Gaststube ist voll. Alle Bänke sind besetzt. Handwerker, Bauern aus der Umgebung, sogar Kaufleute auf der Durchreise von Frankfurt nach Kassel tauschen dort Neuigkeiten aus. Georg und der Vater setzen sich zu einigen Bauern an den Tisch und bestellen einen Krug Dünnbier. Matthias hockt still daneben und betrachtet die Gesichter ringsum. Kleine Augen unter buschigen Augenbrauen, aufgerissene Münder mit fauligen Zähnen, zwischen denen die Zunge einer Eidechse gleich hin und herschlängelt. Er sieht Hände und Finger mit blutigen Nägeln, die, krumm von der Gicht, nach dem Bierbecher greifen, sich daran klammern wie knochige Aststücke an einen Baum.
Besonders aber interessiert ihn Ursula, die 17-jährige Wirtstochter. Wie gebannt hängen seine Blicke an ihr, verfolgen jeden Faltenwurf ihres Kleides, jede Locke des braunen Haares, das nur unzulänglich von einer Haube gehalten wird. Das runde Gesicht mit den dunklen Augen, die kleine Nase, die aufgeworfenen Lippen – Matthias betrachtet alles so genau, als wolle er es sich in sein Hirn brennen.
Ein herber Schlag auf den Hinterkopf holt ihn in die Gegenwart der lauten Gaststube zurück. »Glotz nicht, Junge, trink lieber!«, schimpft der Vater und schiebt ihm einen Becher mit verdünntem Bier zu.
Die Bauern lachen, schlagen sich auf die Schenkel. »Kannst es wohl nicht abwarten, da mal richtig hinzulangen, was?«, grölt einer, hält Ursula am Arm fest, zieht sie zu sich auf den Schoß und grapscht nach ihrem Busen. Das Mädchen kreischt auf und will sich losmachen.
»Nimm deine schmierigen Pfoten weg, du Grobian«, kichert sie und schlägt dem Bauern mit gespieltem Unmut auf die Finger, die unter ihrem Brusttuch wühlen. »Zier dich nicht und zeig dem Grünschnabel, was du unterm Kleid hast«, lärmt der Bauer, steckt dem Mädchen seine dicke rote Zunge in den Mund und zieht ihr das Kleid hoch, so dass Matthias die prallen weißen Schenkel sehen kann.
Und er schaut hin, ganz genau schaut er hin, doch er sieht nicht die Schenkel eines Weibes, er sieht die Beine einer Statue, die er liebend gern schnitzen würde. Die schlanken Knöchel, die birnenförmigen Waden, das blanke Rund der Kniescheiben, die schimmernden weißen Oberschenkel, zwischen denen sich die braune, grobe Männerhand reibt wie eine verwitterte Wurzel zwischen jungen Birkenstämmen. Matthias schaut, nein, er stiert geradezu, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt.
»Was gafft der so?«, keift das Weib, schaut den Jungen argwöhnisch an und befiehlt dem Mann, auf dessen Schoß sie sitzt: »Sagt ihm, er soll woanders Maulaffen feilhalten. Seht nur seine Augen. Sie sind schwarz und lodernd wie das Höllenfeuer. Er macht mir Angst.« Die Männer lachen: »Angst, dass er dir was wegguckt? Schade drum wär’s. Er hat halt noch nie ein Weib gesehen. Lass ihn.«
»Nein. Ich mag seine Blicke nicht.« Ursula schiebt die braune Hand weg, steht auf, zerrt an ihrem Kleid, lässt sich dabei den Hintern tätscheln, hat ihre Angst schon vergessen. Sie grinst die Männer an, fährt sich dabei mit der Zunge über die feuchten roten Lippen und stolziert davon. Die Männer greifen nach den Bechern, schlucken am Bier und am Weib, reden dann über dies und das. Sie klagen über den Zehnt und über einen neuen Ablass, der verkündet wurde, über Steuern, über die Saat.
»Wie sollen wir über den Winter kommen? Wenn alle Abgaben geleistet sind, haben wir nicht mal Saatgut fürs nächste
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