Der Maler Gottes
euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Wange schlägt, dem biete die andere auch dar, und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht.«
»Ihr malt ein falsches Bild des Herrn Jesus«, hatte Matthias eingewandt. »Ihr zeigt ihn zu sanft, zu milde. Doch er war stark. War ein Zimmermann mit Schwielen an den Händen wie alle Handwerker. Und als Jesus in den Tempel von Jerusalem stürmte, um die Händler fortzujagen, wagte es nicht einer, sich der Glut seines gerechten Zornes zu widersetzen. Stark war er, stark, mit breiten Schultern und fähig zum Zorn. So war er und nicht, wie Ihr ihn zeigt.«
Der Mönch, bei dem er den Katechismus lernt, hat einen zornroten Kopf bekommen und nach der Peitsche gegriffen.
»Du Wechselbalg, verfluchter«, hat er gekeucht und die Peitsche dabei durch die Luft pfeifen lassen. »Ich werde deine verdammte Seele aus dir herausprügeln, wenn du es wagst, an der Milde und Güte des Herrn zu zweifeln. Bereue deine Worte, bereue, du Ungläubiger!« Lange musste der Mönch auf ihn einschlagen, ehe Matthias bereit war, Jesus laut und vernehmlich um Vergebung für seine Worte zu bitten. Der Junge betete, und doch war in seinen Worten keine Reue zu spüren.
Heute muss er dem Vater und dem Bruder in der Werkstatt helfen, wie immer, wenn er nicht bei den Antonitern ist. Er fegt die Werkstatt, hält das Feuer am Brennen und sieht dem Vater und Johannes genau auf die Finger. Der Vater stellt Farben her für ein Tafelbild, das der Schultheiß bei ihm bestellt hat. In einem Mörser zerkleinert er Glassplitter zu feinem Pulver, während über dem Feuer Lauch und Kohl zu einem dicken, grünen Brei verkochen, den Matthias ständig umrühren muss. Später, wenn der Brei getrocknet ist, wird er ihn zu Pulver zerreiben und das Pulver mit Leinöl binden. Erst dann ist die grüne Farbe
fertig.
Johannes schnitzt an der Statue der heiligen Elisabeth, und jedes Mal, wenn er das Messer ansetzt, verspürt Matthias einen Stich in seinem Herzen. Er sieht, dass der Faltenwurf des Kleides falsch angelegt ist, nicht mit der Körperhaltung der heiligen Elisabeth in Einklang steht. Er sieht das fertig geschnitzte Gesicht der Statue, das derb wie das einer Landmagd wirkt und nichts von der viel gerühmten Zartheit der Heiligen hat. »Was glotzt du so?«, herrscht Johannes ihn an. »Der Faltenwurf des Kleides ist falsch«, erwidert Matthias. »Sie neigt den Oberkörper nach rechts, also müssen die Falten auf der linken Seite kürzer sein.« Dann rührt er weiter, duckt sich nur unter dem Holzblock, den Johannes wütend nach ihm wirft. »Halt’s Maul, du Höllenbrut, und kümmere dich um deinen eigenen Dreck.«
Der Vater hat es gehört, kommt herüber und nimmt Johannes die Statue mit einem Seufzer aus der Hand. Mit den Fingern fährt er über das geschnitzte Holz und schüttelt den Kopf.
»Hast du nichts gelernt bei mir?«, fragt er. »Das ist keine Statue, das ist ein Unglück. Die Antoniter werden uns an den Pranger stellen für diese heilige Elisabeth.« Mit der misslungenen Figur in der Hand lässt er sich auf einen Schemel fallen. Johannes hat die Unterlippe trotzig vorgeschoben und kratzt mit dem Schnitzmesser an einem Aststück herum.
»Im Feldsiechenhaus ist es dunkel, die künftigen Bewohner alt und krank. Wen kümmern da die Falten?«, fragt er. »Mich kümmern sie!«, donnert der Vater voller Zorn. »Es ist meine Ehre, die da beschmutzt wird. Die Ehre des Handwerkers, meines Standes. Es geht um meinen Ruf als Maler und Bildschnitzer. Nach so einer Arbeit wird uns niemand mehr einen Auftrag erteilen. Begreifst du nicht?«
Johannes zuckt gleichgültig mit den Schultern und kratzt stumm mit dem Messer Dreck unterm Daumennagel hervor.
»Für eine neue Statue ist es zu spät. Es bleibt nur noch wenig Zeit bis zur Einweihung des Hospitals. Wir müssen ohnehin schon bangen, dass die Farben trocknen bis dahin. Und auch die anderen Aufträge müssen fertig werden.«
Der Vater seufzt noch einmal, sagt dann müde: »Wir machen Schluss für heute. Es ist schon spät. Morgen wirst du, Johannes, die Farben anrühren, und ich werde an der heiligen Elisabeth weiterarbeiten.«
Matthias hat Mitleid mit dem Vater. Sie werden es nicht schaffen, denkt er. Die Antoniter warten nicht, und auch der Schultheiß duldet keinen Aufschub. Mit hängenden Schultern schlurft der Vater aus der Küche. Schweigend isst er seine Suppe. Schwer lasten die Sorgen auf ihm. Zu groß ist die Angst, bei den Antonitern,
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