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Twin Souls - Die Verbotene: Band 1

Twin Souls - Die Verbotene: Band 1

Titel: Twin Souls - Die Verbotene: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Zhang
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Prolog
    Addie und ich wurden in denselben Körper geboren. Die Geisterfinger unserer Seelen waren miteinander verflochten, noch ehe wir den ersten Atemzug machten. Unsere ersten gemeinsamen Jahre waren auch unsere glücklichsten. Dann kamen die Sorgen – die aufeinandergepressten Lippen unserer Eltern, das Stirnrunzeln unserer Vorschullehrerin, die Frage, die alle flüsterten, wenn sie dachten, wir könnten sie nicht hören. Warum finden sie keinen Frieden?
    Frieden finden.
    Wir versuchten die Worte mit unserem fünfjährigen Mund zu bilden, schmeckten sie auf unserer Zunge.
    Frieden – finden.
    Wir wussten, was es bedeutete. So ungefähr jedenfalls. Es bedeutete, dass eine von uns die Kontrolle übernehmen sollte. Es bedeutete, dass die andere allmählich verschwinden sollte. Heute weiß ich, dass es viel mehr als das bedeutet, aber mit fünf waren Addie und ich noch unglaublich naiv, noch unglaublich ahnungslos.
    In der ersten Klasse bekam der Unschuldspanzer, der uns schützte, allmählich Risse. Unsere grauhaarige Vertrauenslehrerin verpasste dem Lack den ersten Kratzer.
    »Wisst ihr, meine Süßen, ihr müsst keine Angst davor haben, Frieden zu finden«, sagte sie, während wir beobachteten, wie sich ihre schmalen, mit rotem Lippenstift bemalten Lippen bewegten. »Es kommt euch jetzt vielleicht so vor, aber es ist einfach etwas, das uns allen widerfährt. Die rezessive Seele, welche von euch auch immer das ist, wird einfach … einschlafen.«
    Sie erwähnte mit keinem Wort, wer von uns ihrer Meinung nach weiterleben würde, aber das brauchte sie auch nicht. Als wir in die erste Klasse kamen, waren längst alle davon überzeugt, Addie sei als dominante Seele zur Welt gekommen. Sie konnte uns nach links gehen lassen, wenn ich nach rechts wollte, konnte sich weigern, den Mund zu öffnen, wenn ich essen wollte, Nein brüllen, wenn ich mir verzweifelt wünschte, Ja zu sagen. Ihr gelang das alles ohne große Anstrengung, und je mehr Zeit verging, desto schwächer wurde ich, während sie nach und nach die Kontrolle übernahm.
    Aber ich konnte mich immer noch ab und zu an die Oberfläche kämpfen – und das tat ich. Wenn Mom uns fragte, wie unser Tag gewesen sei, nahm ich meine ganze Kraft zusammen, um ihr meine Version der Geschehnisse zu erzählen. Wenn wir Verstecken spielten, brachte ich uns dazu, uns hinter der Hecke zu ducken, anstatt zum Abschlag zu rennen. Mit acht ließ ich uns zucken, als wir Dad seinen Kaffee brachten. Das brühend heiße Getränk hinterließ Narben auf unseren Händen.
    Je mehr meine Stärke schwand, desto entschlossener klammerte ich mich fest. Ich wurde auf jede mir mögliche Weise handgreiflich, da ich mir zu beweisen versuchte, dass ich nicht verschwinden würde. Addie hasste mich dafür. Ich konnte nicht anders. Ich erinnerte mich an die Freiheit, die ich einst besessen hatte – auch wenn sie natürlich niemals vollkommen gewesen war –, aber ich erinnerte mich an die Zeit, als ich unsere Mutter um ein Glas Wasser hatte bitten können, um einen Kuss, wenn wir hingefallen waren, um eine Umarmung.
    ‹Lass los, Eva›, weinte Addie, wenn wir kämpften. ‹Lass einfach los. Geh weg.›
    Und eine sehr lange Zeit glaubte ich, dass ich genau das eines Tages tun würde.
    Unseren ersten Termin bei einem Spezialisten hatten wir mit sechs. Die Spezialisten gingen sehr viel offensiver vor als die Vertrauenslehrerin. Sie führten ihre netten kleinen Untersuchungen durch, stellten ihre netten kleinen Fragen und stellten ihre nicht ganz so netten kleinen Honorare in Rechnung. Als unsere jüngeren Brüder das Alter erreichten, in dem man Frieden findet, hatten Addie und ich bereits zwei Therapien und vier verschiedene Medikationen hinter uns, die alle bewirken sollten, was eigentlich Aufgabe der Natur gewesen wäre: die rezessive Seele loszuwerden.
    Mich loszuwerden.
    Unsere Eltern waren unglaublich erleichtert, als meine Ausbrüche allmählich aufhörten, als die Ärzte mit positiven Beurteilungen in den Händen auf sie zutraten. Sie versuchten, es vor uns zu verbergen, aber wir hörten das geseufzte Endlich vor unserer Zimmertür, Stunden nachdem sie uns mit einem Gutenachtkuss ins Bett gebracht hatten. Jahrelang waren wir der Nachbarschaft ein Dorn im Auge gewesen, das schmutzige kleine Geheimnis, das lange nicht so geheim war. Die Mädchen, die einfach keinen Frieden fanden.
    Niemand wusste, dass Addie mich mitten in der Nacht herauskommen und mit dem letzten bisschen Kraft, das mir geblieben

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