Der Mann am Strand
Malmöer Zeit.
"Woran ist er gestorben?" fragte Wallander. "Gehirnblutung oder Schlaganfall?"
"Keins von beidem", erwiderte Jörne. "Entweder hat er Selbstmord begangen, oder er ist ermordet worden."
Wallander fuhr zusammen. "Ermordet? Was meinst du damit?"
"Genau das, was ich sage."
"Aber das ist undenkbar. Er kann nicht im Fond eines Taxis ermordet worden sein. Stenberg, der ihn gefahren hat, bringt keine Leute um.
Aber er kann ja wohl auch kaum Selbstmord begangen haben."
"Wie es zugegangen ist, kann ich nicht beurteilen", sagte Jörne ungerührt. "Dagegen kann ich mit Sicherheit sagen, daß er an einem Gift starb, das er mit einem Getränk oder mit etwas Eßbarem zu sich genommen hat. Und für mich deutet das auf Mord. Aber das rauszufinden ist natürlich euer Job."
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Wallander sagte nichts.
"Ich faxe euch die Papiere rüber", sagte Jörne. "Bist du noch da?"
"Ja", sagte Wallander. "Ich bin noch da."
Er bedankte sich bei Jörne, legte auf und dachte nach über das, was er gerade gehört hatte. Dann betätigte er das Haustelefon und bat Hansson, zu ihm zu kommen. Er zog einen seiner Notizblöcke heran und schrieb zwei Wörter.
Göran Alexandersson.
Der Wind war noch stärker geworden. In Böen erreichte er schon Sturmstärke.
Der böige Wind tobte weiter über Schonen. Wallander saß zurückge-zogen in seinem Zimmer und mußte sich eingestehen, daß er noch immer nicht wußte, was mit dem Mann passiert war, der vor zwei Tagen auf der Rückbank eines Taxis gestorben war. Um zehn Uhr am Vormittag begab er sich zu einem der Sitzungszimmer des Präsidiums und schloß die Tür hinter sich. Hansson und Rydberg saßen schon am Tisch. Wallander war überrascht, als er Rydberg sah. Er war wegen Rückenschmerzen krankgeschrieben und hatte seine Rückkehr nicht angekündigt.
"Wie geht es dir denn?" fragte Wallander.
"Ich sitze hier", sagte Rydberg abweisend. "Was ist denn das für ein Quatsch von einem Mann, der im Fond eines Taxis ermordet worden ist?"
"Laß uns vorne anfangen", entgegnete Wallander.
Dann blickte er in die Runde. Einer fehlte. "Wo ist Martinsson?"
"Er hat angerufen und sich entschuldigt, er hat geschwollene Man-deln", antwortete Rydberg. "Aber vielleicht kann Svedberg dazukom-men?"
"Wir warten ab, ob es nötig wird", sagte Wallander und sortierte seine Papiere. Das Fax aus Lund war gekommen.
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Dann sah er seine Kollegen an. "Die Geschichte, die zunächst so sim-pel zu sein schien, könnte sich als bedeutend schwieriger erweisen, als ich geglaubt habe. Ein Mann stirbt auf dem Rücksitz eines Taxis.
Der Gerichtsmediziner in Lund hat festgestellt, daß er an einem Gift gestorben ist. Was wir immer noch nicht wissen, ist, wieviel Zeit zwischen der Einnahme des Giftes und dem Augenblick des Todes vergangen ist. Aber Lund hat versprochen, uns in ein paar Tagen Bescheid zu geben."
"Mord oder Selbstmord?" wollte Rydberg wissen.
"Mord", antwortete Wallander entschieden. "Ich kann mir nur schwer einen Selbstmörder vorstellen, der erst Gift schluckt und dann nach einem Taxi telefoniert."
"Könnte er das Gift vielleicht durch einen Irrtum genommen haben?"
fragte Hansson.
"Kaum vorstellbar", sagte Wallander. "Den Ärzten zufolge ist es eine Giftmischung, die es eigentlich gar nicht gibt."
"Was heißt das?" fragte Hansson.
"Daß nur ein Spezialist sie mischen kann, ein Arzt zum Beispiel, ein Chemiker oder ein Biologe."
Es wurde still.
"Also sollten wir von Mord ausgehen", sagte Wallander. "Was wissen wir über diesen Göran Alexandersson?"
Hansson blätterte in seinen Aufzeichnungen. "Er war Geschäfts-mann", begann er. "Er hatte zwei Elektronikläden in Stockholm, einen in Västberga, den anderen am Norrtull. Er wohnte allein in einer Wohnung in der Åsögata. Familie scheint er nicht mehr gehabt zu haben.
Seine geschiedene Frau soll in Frankreich wohnen. Sein Sohn starb vor sieben Jahren. Und die Angestellten, mit denen ich geredet habe, charakterisierten ihn fast wörtlich gleich."
"Und wie?" unterbrach ihn Wallander.
"Er galt als nett."
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"Nett?"
"Das war das Wort, das sie benutzten: nett."
Wallander nickte. "Sonst noch etwas?"
"Er scheint ein ziemlich eintöniges Leben geführt zu haben. Seine Sekretärin vermutet, daß er Briefmarken sammelte. Es kamen regelmäßig Kataloge ins Büro. Enge Freunde scheint er nicht gehabt zu haben. Jedenfalls keine, die seine Mitarbeiter kannten."
Niemand sagte etwas.
"Wir müssen Stockholm wegen seiner Wohnung um Hilfe bitten", sagte
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