Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann auf dem Einhorn

Der Mann auf dem Einhorn

Titel: Der Mann auf dem Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
rechten Seite zu sehen. Als er genauer hinsah, war die dunkle Silhouette verschwunden.
    Ihr Auftrag war ausgeführt. Feithearn konnte die dreihundert Männer brauchen. Die Ordnung in Nyrngor litt, solange der Einhornreiter nachts um die Mauern galoppierte. Aber kein einziges Tier beobachtete den Rückmarsch der dreihundert Reiter.
    Zwischen den Bordwänden der Schiffe spannte sich eine dicke Eisschicht. Einige Dreimaster waren auf den Strand, andere auf den niedrigen Kai hinaufgezogen worden. Die Posten standen mit ihren rußenden Fackeln sowohl an den Schiffen als auch an den Eingängen des Lagerhauses. Im Abendwind schwankten die froststarren Seile und die hölzernen Elemente der Flaschenzüge. Zitternd vor Kälte, drängten sich die Pferde in einen windgeschützten Winkel zwischen den verlassenen Gebäuden des Hafens. Alles lag leer und im erbarmungslosen Griff des Winters da. Nur im Inneren des größten und wenig zerstörten Gebäudes, der Lagerhalle, herrschten aufgeregte Tätigkeit und eine Spur Wärme. Zahlreiche Fackeln, von schweigenden und grimmig blickenden Kriegern gehalten, beleuchteten ein mehr als seltsames Bild.
    Zwei Männer hielten einen Rappen am Zügel. Das pechschwarze Tier war unruhig und keilte aus, als ein Caer, der handwerklich sehr geschickt war, ihm ein breites Band um die Stirn befestigte. In der Mitte des Bandes wuchs das mehr als eine Elle lange Horn hervor, freilich befand es sich tiefer am Schädel als das Horn des echten Einhorns. Auch waren viele Stellen des Tieres mit schwarzer Farbe eingerieben worden, mit Ruß und Fett. Der dünne Zügel war schwarz, ebenso ein breiter Gurt mit einigen Schlaufen, der dicht hinter den Vorderbeinen den Rumpf des Rappen umspannte.
    Der Reiter stieß ein heiseres Lachen aus. »Gut, dass Hester keine wilden Drohungen ausstößt. Sonst müsste ich ihm noch meine schöne Stimme leihen!«
    Die Fackelträger und die Soldaten stimmten in das Gelächter ein. Nur Feithearn lachte nicht. Er konzentrierte sich auf seine Aufgabe und spürte, wie der Dämon seine Lebenskraft sammelte.
    Der Reiter war mittelgroß, aber nicht schmächtig wie Hester, sondern schmal und sehnig. Sein Haar war tatsächlich blond und dünn. Man hatte ihm ähnliche Kleidung angezogen und ihm auch einen Mantel gegeben, der dem ähnlich war, den Hester trug. Das Pferd war gut gefüttert worden und war halb übermütig vor Kraft. Schon aus wenigen Schritten Entfernung sah man den Zügel kaum und bemerkte den Gurt gar nicht mehr. Das echte Einhorn trug keinen Sattel.
    »Der Gegenreiter ist bereit, Herr!« meinte ein Hauptmann. »Wann soll er aufbrechen?«
    »Erst später. Vor Mitternacht«, winkte Feithearn ab. Er hatte den schwarzen Mantel mit den Silberstickereien über die Schultern geworfen und trug über der gläsernen Haut seines Gesichts die Maske und den spitzen Helm. Die Handschuhe wirkten wie Knochenhände, als er die Finger nach dem Pferd ausstreckte. Wieder wurde das Tier unruhig und musste mühsam gebändigt werden.
    »Duldamuur! Dämon, den ich beschworen habe und der in mir lebt! Ich rufe dich. Ich brauche deine Stärke und deine Macht!«
    Die Stimme des Priesters klang verzerrt vor Konzentration. Das Gelächter der Caer und das Murmeln der Unterhaltung rissen ab. Stille breitete sich in dem staubigen Gewölbe aus. In der heißen Luft, die von den Fackeln aufstieg, bewegten sich die Spinnweben. Das Pferd wieherte dumpf, als stehe es unter großer Anstrengung.
    Magie aus der Schattenzone bildete eine Verbindung zwischen dem Pferd, dem Reiter und dem Priester. Geistige Anstrengung ließ die Lippen Feithearns schmal werden und Schweißtropfen auf der gläsern scheinenden Haut perlen. Der Dämon schien zu antworten, aber nur Feithearn hörte und verstand, was er sagte.
    »Erhalte mit deiner unfassbaren Kraft den Reiter und das Tier! Es muss stark und ausdauernd sein, keine Scheu zeigen und dem Reiter gehorchen, als sei es sein Geschöpf!« beschwor Feithearn.
    Die Wirkung zeigte sich sogleich.
    Der schwere, breitbrüstige Rapphengst schüttelte den Kopf und warf ihn stolz in den Nacken. Die Muskeln des Tieres schienen anzuschwellen. Die Hufe bewegten sich tänzelnd, aber auch ohne Zügel hielt das Pferd seine Kraft unter Kontrolle. Nur seine Augen rollten, und der Atem fuhr in langen Dampfwolken aus den aufgerissenen Nüstern.
    Die Caer, die diesen ersten Teil der magischen Beschwörung miterlebten, wussten nur ungenau, dass die große Entfernung von der Schattenzone, die keiner

Weitere Kostenlose Bücher