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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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schön. Ich denke, dann haben wir alles geklärt für heute, hm?«
    Ja, alles super, dachte ich. Ich gab ihm die Hand und verließ die Behörde. Stieg auf mein Motorrad und fuhr nach Detroit zu einem weiteren Unterrichtstag in der Safeknackerschule.
     
    Ich übte weiter. Ich verbrachte so viele Stunden im Hof dieses Ladens, dass ich mich dort langsam wie zu Hause fühlte. Eines Tages ließ mich der Ghost für eine Weile allein. Er sagte, er müsse ein paar Besorgungen machen, und falls Kundschaft käme, solle ich einfach hier hinten bleiben, bis sie es aufgaben und wieder gingen.
    Die Stunden verflogen, nur ich und die Safes. Bis ich plötzlich aufblickte und einen Mann dort stehen sah, der mich beobachtete. Er war groß und hatte dunkle Haare, die glatt über den Kopf zurückgegelt waren, was ihn morgens ziemlich viel Zeit gekostet haben musste. Fein gekleidet in einen blauen Anzug mit weißem Hemd und breiter roter Krawatte.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er, obwohl ich sicher war, kein Erschrecken gezeigt zu haben.
    »Ich suche nach dem Inhaber. Ist er hier irgendwo?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Was hast du denn da? Eine Runde Safes?«
    Ich nahm die Hand von der Wählscheibe und setzte mich aufrecht.
    »Das sind ja ein paar Prachtexemplare.«
    Er strich mit der Hand über eines der glatten Stahlgehäuse.
    »Verkauft ihr die? Die solltet ihr vorn ausstellen.«
    Ich sah mich um, war unschlüssig, was ich tun sollte. Irgendwas war an diesem Mann – allein schon, dass er sich bis hier hinten rausgewagt hatte. Durch die dunklen Gänge, all den Schrott. Die meisten Leute würden sich abschrecken lassen.
    »Ich heiße Harrington Banks«, sagte er. »Fast alle nennen mich Harry.«
    Er gab mir die Hand. Ich zögerte kurz, nahm sie dann aber.
    »Du hast doch nichts dagegen, dass ich hier bin, oder? Ich dachte, das gehört alles noch zum Laden.«
    Ich musste zu ihm aufsehen, weil er so groß war und ich auf dem Bürostuhl hockte.
    »Du bist nicht der Chef hier, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Natürlich nicht. Du bist viel zu jung.«
    Er schlug mit der flachen Hand auf den Tresor, neben dem ich saß.
    »Na dann«, sagte er, »will ich dich nicht länger abhalten von …«
    Er machte eine bedeutungsschwangere Pause, während er von einem Tresor zum nächsten blickte.
    »Von deiner Arbeit hier, was?«
    Er wich einen Schritt zurück.
    »Ich schau bald wieder rein. Vielleicht treffe ich den Chef das nächste Mal an. Und du heißt …?«
    Ich reagierte nicht.
    Er hob die rechte Hand, als wollte er meinen Namen aus der Luft fischen. »Sagst du mir auch das nächste Mal, okay? Mach’s gut …«
    Er stand da und nickte vor sich hin. Dann ging er endlich.
    »Wiedersehen. Schönen Tag noch.«
    Ich hätte dem Ghost von diesem Besuch erzählt, aber ganz ehrlich, ich vergaß ihn völlig wegen der anderen merkwürdigen Sache, die an diesem Nachmittag passierte. Der Ghost war noch unterwegs, und ich wurde gerade richtig frustriert, weil ich immer noch kein Stück weiter war, als ich auf einmal ein Piepsen hörte.
    Ich blickte mich suchend um. Es war nicht laut, gerade noch wahrnehmbar, unablässig und gleichmäßig. Zuerst wollte ich es ignorieren und mit dem Safe weitermachen, doch das Geräusch lenkte mich ab. Ich stand auf und sah mich im Hinterhof um, dann stellte ich fest, dass es ein wenig lauter wurde, als ich den Flur betrat, und deutlich lauter, als ich zu dem Raum mit dem Fernseher kam. Weil dort nur etwa siebentausend Gegenstände herumlagen, dauerte es eine Weile, bis ich die Quelle geortet hatte. Ein Schuhkarton auf dem vollgemüllten Schreibtisch. Als ich ihn aufmachte, piepte es plötzlich doppelt so laut.
    Das war 1999 , müssen Sie bedenken, als noch nicht jeder Hinz und Kunz ein Handy hatte. Manche Leute besaßen Pager. Ich glaube, ich hatte noch nie einen in der Hand gehalten, bevor ich diesen dort aus dem Schuhkarton nahm. Er piepte immer noch wie verrückt vor sich hin und hatte oben ein kleines Sichtfenster, in dem zehn rote Ziffern aufleuchteten. Eine Telefonnummer, wie ich vermutete.
    Bevor ich überlegen konnte, was ich damit tun sollte, hörte er auf zu piepen. Ich legte ihn wieder in den Karton zu den anderen. Es gab fünf insgesamt. Alle schwarz, aber jeder mit einem farbigen Stück Klebeband gekennzeichnet. Rot, weiß, gelb, blau, grün.
    Der Ghost kam ungefähr eine Stunde später zurück. Ich nahm den Schuhkarton und zeigte ihm den Pager, der losgegangen war. Es

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