Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
Vom Netzwerk:
war der mit dem roten Klebeband. Er riss ihn mir aus der Hand und las die Nummer. Nie hätte ich gedacht, dass sein Gesicht noch bleicher werden könnte, aber genau das passierte. Er lief zum Telefon, rief die Nummer an und scheuchte mich weg, als er merkte, dass ich ihn beobachtete. Ich ging wieder zu den Safes.
    Als er ein paar Minuten später zu mir kam, sah der Ghost aus, als hätte er einen Geist gesehen. »Ich bekomme Besuch«, sagte er. »Also sieh zu, dass du verschwindest.«
    Ich stieg aufs Motorrad und machte mich auf den Heimweg. Es war seltsam, mitten am Tag freizuhaben. Ich fuhr bei Amelia vorbei, nur für alle Fälle. Das Gras im Garten war inzwischen so lang, dass man Heu daraus hätte machen können. Was die Nachbarn in Lake Sherwood sicher sehr zu schätzen wussten.
    Es stand wieder ein Auto in der Einfahrt. Ein roter BMW , der mir irgendwie bekannt vorkam. Jemand saß auf dem Fahrersitz. Ich blieb ebenfalls sitzen und wartete, was passieren würde. Dann endlich stieg der Fahrer aus. Es war Zeke. Der gute alte Zeke.
    Er hielt etwas in der Hand, als er zur Haustür ging. Eine rote Rose? Tatsächlich. Eine einzelne rote Rose. Er legte sie auf den Fußabtreter, griff in die Gesäßtasche seiner Hose und holte ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus, das er dazutat. Ein seelenvoller Brief, zweifellos. Vielleicht ein schmerzerfülltes Liebesgedicht.
    Er klopfte nicht an, wusste offenbar, dass Amelia nicht da war. Scheiße, vielleicht kam er jeden Tag her. Vielleicht war das schon zu einem Ritual für ihn geworden.
    Als er zurück zum Auto ging, sah er mich auf meinem Motorrad sitzen. Ich klappte das Visier herunter und fuhr los. Ohne mich nach ihm umzudrehen.
    Als ich schon fast zu Hause war – ich wollte gerade auf die Main Street einbiegen –, sah ich etwas Rotes in meinem Rückspiegel aufblitzen. Ich drehte mich um und erkannte das BMW -Cabrio, das schnell aufholte.
    Ich nahm die Kurve und sauste die Main Street hinunter. Wenn Sie ein bisschen Ahnung von Motorrädern haben, wissen Sie, dass sogar eines von mittlerer Kubikzahl allem auf vier Rädern davonfahren kann. Ich hängte ihn ab, wartete ein Weilchen am Straßenrand und fuhr dann zurück in den Ort.
    Nach so vielen öden Tagen ohne Amelia, ohne Glück mit den Safes, nach all dem Frust und dem Alleinsein – war das mein einziger Erfolg. Es gelang mir, nicht von ihrem Ex-Freund zu Brei gefahren zu werden. Immerhin.
    Ich rechnete nicht damit, dass er mir auflauern würde. Also ehrlich. Doch als ich von der Commerce Road abbog, wartete sein Wagen dort an der Tankstelle. Er schoss heraus, ein verschwommener roter Streifen, und überraschte mich. Ich drehte auf und flitzte wieder über die Main Street, aber das ist schließlich keine offene Landstraße oder so was. Ein kleiner Hubbel, und ich würde auf irgendeiner Motorhaube oder platt auf dem Gehweg landen.
    Er war dicht hinter mir, als wir zur Eisenbahnbrücke kamen. Ich verlangsamte gerade genug, um dem Brückendamm zu entrinnen. Zeke verlangsamte gerade genug, um dem Tod zu entrinnen, aber nicht genug, um zu verhindern, dass die gesamte linke Wagenseite mit einem grauenvollen Geräusch an der Betonmauer entlangschrammte. Funken flogen, und der BMW schlingerte um die Ecke, während aus dem linken Vorderreifen zischend die Luft entwich.
    Ich hielt kurz und sah, wie der Wagen ein paar Meter vor dem Schnapsladen zum Stehen kam. Dann lenkte ich die Maschine auf den Parkplatz und wartete ab, was passieren würde.
    Die Fahrertür ging auf, und Zeke kam heraus, etwas wackelig auf den Beinen. Ein dünnes Blutrinnsal lief über seine linke Gesichtshälfte. Als er mich dort auf dem Motorrad sitzen sah, fand er sein Gleichgewicht wieder und schoss auf mich zu wie eine Kanonenkugel. Ich sprang vom Bike, warf den Helm ab und kam ihm auf halbem Weg entgegen. Duckte mich unter seinem ungezielten Haken und ließ ihn noch ein paar weitere versuchen. Schließlich erwischte er mich über dem Auge, aber das war gut, es war wunderbar, weil ich
wollte,
dass er mich schlug. Nach allem, was passiert war, wollte ich ein bisschen bluten und mein Blut mit seinem vermischen.
    Er holte wieder aus, doch ich war schon innerhalb seines Schwungradius, verpasste ihm einen Kinnhaken und dann einen Schlag in den Magen und dann – das Beste überhaupt – einen an die Schläfe seines blöden Reichesöhnchenkopfes mit dem bescheuerten Pferdeschwanz.
    Ich stand vor ihm und wartete, dass er wieder aufstand. Was er nicht tat.

Weitere Kostenlose Bücher