Der Mann aus dem Safe
dieses Nudelholzes auf seinem Kopf erinnert mich an etwas – das Krachen, wenn ein Baseballschläger den Ball trifft.
Meine Mutter schreit ihn an, er solle aufhören, worauf er das Nudelholz in den Fernseher schleudert. Es schlägt den halben Bildschirm heraus, die andere Hälfte wird schwarz. Dann, während meine Mutter davonzukriechen versucht, kommt mein Vater zu mir und kniet sich neben mich.
Meine Mutter fleht ihn an, mich in Ruhe zu lassen, doch er nimmt mir nur das Comic-Heft ab und sieht es sich an.
»Ich werde unserem Sohn nichts tun«, sagt er. »Wie kannst du nur so etwas denken?«
Darauf schlägt er sie mit dem Handrücken ins Gesicht.
»Geh in dein Zimmer«, sagt er zu mir, leiser und ganz sanft. »Geh schon. Es wird alles gut. Ich verspreche es dir.«
Ich will mich nicht bewegen, und zwar deshalb, weil ich mir in die Hose gemacht habe und er die Pfütze auf dem Boden nicht sehen soll.
»Geh schon«, wiederholt er. »Na los, geh.«
Also stehe ich endlich auf, Pfütze oder nicht. Ich gehe hinaus, und als ich mich noch einmal umdrehe, zieht mein Vater sein Hemd aus, und meine Mutter weint und versucht, ihm zu entkommen. Ich gehe in mein Zimmer und will das Fenster aufmachen, eines der sieben Fenster im Haus, aber es ist durch ein Schloss am Rahmen oben blockiert, so dass ich es kein Stück hochschieben kann. Meine Hose ist ganz nass, und ich möchte mich umziehen, aber ich weiß nicht mehr, in welcher Schublade meine Hosen sind, und es kommt mir gar nicht in den Sinn, alle einfach nacheinander aufzuziehen, bis ich die richtige finde. Ich kann nicht klar denken. Nicht bei den Lauten, die da aus dem Wohnzimmer kommen.
Es gibt einen Stapel Comics in meinem Zimmer und einen Schreibtisch mit einem Zeichenblock darauf, auf den ich verschiedene Superhelden zu zeichnen versucht habe, und ein einzelnes Bord mit meinen Büchern und darüber einen Pokal von einem T-Ball-Match, den ich mir nehme, weil ich denke, er könnte mir nützlich sein, denn das tut richtig weh, wenn man den auf den Kopf bekommt.
Ich öffne die Tür von meinem Zimmer einen Spalt, so wie ich es abends manchmal mache, wenn ich schlafen soll, aber mitkriegen will, was im Fernsehen läuft. Doch der Fernseher ist jetzt natürlich halb weg, und alles, was ich im Wohnzimmer sehe, ist, was mein Vater mit meiner Mutter macht. Ich könnte ein genaues Bild davon zeichnen, und es würde immer noch keinen Sinn ergeben, warum sie so über den Couchtisch gebeugt liegt und ihre Haare auf den Boden hängen und mein Vater mit heruntergelassener Hose hinter ihr ist und immer wieder mit den Hüften gegen sie stößt.
Er bemerkt mich nicht, als ich aus meinem Zimmer komme, den T-Ball-Pokal in der rechten Hand, immer näher, immer näher, bis ich sehe, was mit Mr. X passiert ist. Dass er ihm die Hose heruntergezogen hat, genau wie seine eigene, nur dass die Beine von Mr. X voller Blut sind, weil er ihm seinen kleinen Mann, wie meine Mutter das nennt, wenn ich in der Badewanne bin, abgeschnitten oder rausgerissen oder sonst was hat.
Ich renne zurück in den Flur, nur diesmal in das ungenutzte Zimmer, in dem mein altes Bett steht, aus dem ich herausgewachsen bin, und der Waffensafe, der meinem Vater gehört hat und der zu schwer ist, um ihn aus dem Haus zu schaffen.
Ich darf diesen Safe unter keinen Umständen aufmachen oder auch nur anfassen, hat mir meine Mutter immer wieder eingeschärft. Irgendetwas an den Bolzen in der Tür ist besonders gefährlich, weil sie Federn im Innern haben, die die Tür automatisch verriegeln, wenn man sie zumacht. Aber heute scheinen mir die Umstände doch die richtigen zu sein, nach dem, was ich gerade gesehen habe, und ich will nicht, dass mein Vater mit mir macht, was er mit Mr. X gemacht hat, also ziehe ich die Safetür auf und klettere hinein. Der Safe ist leer, weil mein Vater ja nicht mehr hier wohnt und keine Waffen hineingetan hat oder sonst was, also ist gerade genug Platz für mich, wenn ich mich in den Schneidersitz hocke. Dann ziehe ich die Tür zu.
Erst da fällt mir auf, dass sie innen keinen Griff hat, ich also nicht wieder herauskann, selbst wenn ich es wollte. Nicht ohne dass jemand von außen die richtige Kombination einstellt. Ich frage mich, ob ich jetzt tatsächlich ersticken werde und ob ich das überhaupt merken werde. Dabei denke ich daran, wie ich mir immer die Bettdecke über den Kopf gezogen habe, bis die Luft ganz stickig wurde, und ich dann die Nase heraussteckte und die Luft so kühl und
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