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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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sterbe.
    Ich kriege keine Luft.
    Ich schließe die Augen und warte.
     
    Ich zeichnete das letzte Bild fertig. Amelia stand direkt hinter mir, schraffierte die Linien und hob alles deutlicher hervor, als hätten wir es in die Wand eingebrannt. Zum zweiten Mal in dieser Nacht liefen ihr die Tränen übers Gesicht.
    Wir traten ein Stück zurück und besahen unser Werk. Die Bilderreihe begann in dem Zimmer, in dem der Safe gestanden hatte, und zog sich über drei Wände bis hinaus in den Flur. Sie setzte sich im Wohnzimmer fort und endete an der Wand gegenüber der Haustür, genau dort, wo das Sofa gewesen war. Das letzte Panel war das größte von allen. Ein vollständiges Unterwasserpanorama, samt dem Müll, der sich am Grund des Flusses angesammelt hatte. Ein alter Autoreifen. Ein Betonblock. Eine Flasche. Ein Holzbalken, in dem noch die Nägel steckten. Die strähnigen Algen, die aus dem Schutt herauswuchsen und in der Strömung wedelten.
    Mittendrin, leicht schräg und mit einer Ecke tief im Sand, der große Stahlkasten. Versunken. Verlassen. Nie würde er zurück an die Oberfläche geholt werden.
    Das war’s. Das war das letzte Bild.
    »Warum hört es hier auf?«, fragte sie. »Man hat dich doch herausgeholt. Man hat dich gerettet.«
    Ich verstand, was sie meinte. In der Wirklichkeit, an die sie dachte – ja, da hatte man mich herausgeholt. Es war schließlich ein billiger Safe, dessen Tür nicht völlig dicht schloss. Deshalb bekam ich genug Luft dort drin, zumindest bis ich unter Wasser war. Deshalb konnten ihn die Männer, die ihn aus dem Fluss holten, relativ leicht aufstemmen. Mit einer Brechstange? Einer Rettungsschere? Ich wusste es nicht. Diesen Teil bekam ich nicht mehr mit. Das spielte keine Rolle für mich. In meiner innersten Vorstellung würde der Safe für immer auf dem Grund des Flusses liegen. Mit mir darin eingesperrt. Das war die einzige Wirklichkeit für mich. Wirklicher als alle Tatsachen.
    »Du steckst nicht mehr in diesem Kasten«, sagte Amelia und wischte sich über die Wangen. »Du bist jetzt frei. Du kannst den Kasten hier zurücklassen.«
    Ich sah sie an.
    »Jetzt, wo du es erzählt hast – kannst du das alles nicht in diesem Haus lassen?«
    Wenn es doch nur so einfach wäre.
    Sie küsste mich, in diesem Zimmer, wo der Horror jenes Tages seinen Anfang genommen hatte. Sie küsste mich und hielt mich fest. Wir setzten uns auf den Boden und blieben lange so. Nur wir beide, in diesem Haus.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, war es schon früher Morgen. Wir hatten uns viele Stunden hier aufgehalten. Wir sammelten unsere Sachen zusammen, gingen hinaus und stiegen aufs Motorrad. Dann fuhr ich sie zurück nach Ann Arbor.
    Beim Aufbrechen dachte ich daran, dass diese Geschichte nun für alle zu sehen sein würde, die sich je in dieses Haus hineinwagten. So würden sie genau erfahren, was dort geschehen war.
     
    Als wir vor ihrem Wohnheim hielten, stieg sie ab und stand lange neben mir, ohne etwas zu sagen. Sie griff unter ihr Shirt und zog eine Kette heraus. Daran hing der Ring, den ich ihr vor einem Jahr geschenkt hatte.
    »Ich habe ihn noch«, sagte sie. »Ich trage ihn immer um den Hals.«
    Ich wollte unbedingt etwas zu ihr sagen. Ich wollte den Mund aufmachen und mit ihr reden.
    »Als du weggegangen bist … habe ich versucht, dich zu vergessen. Ehrlich.«
    Sie küsste mich.
    »Ich weiß, dass wir im Moment nicht zusammen sein können. Deshalb …«
    Sie unterbrach sich und sah zu den Sternen hinauf.
    »Ich kann das nicht. Ich kann dich nicht einfach so wieder wegfahren lassen.«
    Ich griff nach hinten in die Motorradtasche nach einem Block und schrieb zwei Sätze. Die wichtigsten Sätze, die ich je an jemanden gerichtet hatte.
    Ich werde eine Möglichkeit finden, zurückzukommen. Ich verspreche es dir.
    Sie nahm den Zettel und las ihn. Dann faltete sie ihn zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. Ob sie mir glaubte oder nicht … also, ich hätte es ihr kaum verübelt, wenn nicht. Aber
ich
glaubte daran. Ich wusste, dass ich einen Weg zurück finden würde. Und wenn es mich umbrachte.
    »Du weißt ja jetzt, wo du mich erreichst.«
    Sie drehte sich um und ging hinein. Als ich davonfuhr, hoffte ich inbrünstig, dass das immer stimmen würde.
     
    Es war wieder eine lange Fahrt, die ganze Strecke zurück nach Los Angeles.
    Zuerst merkte ich es kaum, aber schon auf halbem Weg reifte die Entscheidung in mir. So verrückt es klang – so verzweifelt und aussichtslos –, ich

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