Der Mann aus dem Safe
nickte.
»War sie unverschlossen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wie zum Teufel habt ihr sie dann aufbekommen?«
Ich tat, als würde ich in jeder Hand etwas halten.
»Was, hattest du irgendwoher einen Schlüssel?«
Ich schüttelte den Kopf und wiederholte die Bewegung. Zwei Hände, ein Werkzeug in jeder.
»Willst du mir weismachen, du hast das Schloss aufgebrochen?«
Ich nickte.
Er bückte sich und untersuchte den Knauf. »Du lügst. Da ist nicht der kleinste Kratzer an dem Ding.«
Wie Sie meinen, dachte ich. Dann lüge ich eben.
»Das fängt ja gut an mit uns«, sagte er, fast lachend. »Ich muss schon sagen.«
Er stand da und fixierte mich wieder.
»Letzte Chance. Sagst du mir jetzt, wer noch in mein Haus eingebrochen ist, oder nicht?«
Ich habe es der Polizei nicht verraten, dachte ich. Warum sollte ich es dir verraten?
»Schön«, sagte er. »Wer nicht hören will, muss fühlen.«
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Kapitel zwölf
Los Angeles
Januar 2000
D ie Motorräder wurden in die Garage auf der Rückseite von Julians Grundstück geschoben. Ein stahlgrauer Saab kam heraus. Er schien mir ein wenig zu dezent für diese Crew zu sein, aber vielleicht ist dezente Eleganz manchmal genau das, was man braucht.
Wir stiegen allesamt ein. Julian am Steuer, Ramona auf dem Beifahrersitz, ich hinten mit Gunnar und Lucy. Gunnar setzte sich in die Mitte, zweifellos absichtlich zwischen mich und Lucy. Eine unterschwellige Rivalität, die ich gleich registrierte, obwohl sie doch alle sechs oder sieben Jahre älter waren als ich und er mich eigentlich bloß als ein verwahrlostes Kind hätte ansehen sollen.
Es war später Nachmittag, die Sonne hing über dem Meer. Wir fuhren wieder Richtung Beverly Hills, bogen diesmal aber nach Norden ab und folgten dem Laurel Canyon Boulevard hinauf in die Hollywood Hills. Die Straße verlief zunehmend in Serpentinen, je höher wir hinaufkamen. Zu beiden Seiten standen Häuser. Große Geldkästen. Kühne Beispiele moderner Architektur. Manche davon hingen über schroffe Felshänge hinweg wie eine Herausforderung an das nächste große Erdbeben, sie in den Canyon unten zu stürzen.
Wir kamen am Mulholland Drive vorbei, dann an einer bewachten Privatstraße mit einem schick uniformierten Wachmann, der in seinem kleinen weißen Wachhäuschen saß. Noch eine Haarnadelkurve hinauf und noch eine. Julian fuhr an den Straßenrand, und alle stiegen aus. Jeder schien seine Rolle in dem Stück zu kennen und in jedem Moment genau zu wissen, was er zu tun hatte. Julian sah sich gründlich um und überprüfte, ob uns auch niemand direkt im Blick hatte. Er ging an den geschotterten Rand auf der Hangseite, wo wilder Salbei und Kresotbüsche und andere feindselig aussehende Pflanzen wucherten und sich bis hinunter in den Canyon zogen. Gunnar trat zu ihm an die Kante. Er umarmte Julian kurz, winkte uns anderen zu und verschwand im Gestrüpp.
Ramona suchte die Schlucht unter uns mit einem Fernglas ab. Julian holte ein Handy hervor. Während die beiden Gunnars Abstieg verfolgten, klappte Lucy den Kofferraum auf.
»Hier«, sagte sie und gab mir den Wagenheber. »Mach dich nützlich.«
Ich zeigte auf die Reifen. Welcher?
»Egal. Such dir einen aus.«
Das rechte Hinterrad schien auf ebenem Grund zu stehen, also brachte ich den Wagenheber dort an, steckte den Montierhebel in den Schlitz und begann zu kurbeln. Das war keine dumme Idee, erkannte ich. Wenn jemand vorbeikam, würde es völlig normal wirken, dass wir hier herumstanden. Wir konnten sogar einpacken und losfahren, falls es nötig wurde, und später wiederkommen.
»Unser Mann ist im Obergeschoss«, sagte Ramona. »Den Leibwächter sehe ich nicht.«
Sie blickte weiter durch das Fernglas. Julian hielt das Handy bereit. Ich stand bereit, mich an dem Reifen zu schaffen zu machen, sobald ich ein Auto die Straße heraufkommen hörte. Lucy ging auf und ab und murmelte vor sich hin. Sie sah nervöser aus als wir alle zusammen.
Endlich brummte das Telefon, es schien in Julians Hand herumzuhüpfen. Er drückte eine Taste und hörte zu.
»Wir versuchen, den Leibwächter ausfindig zu machen«, sagte er. »Bleib, wo du bist.«
Ramona schwenkte das Fernglas langsam hin und her.
»Da«, sagte sie schließlich. »Der Leibwächter ist jetzt oben.«
Ich spähte in den Canyon hinunter und sah eine Wohnstraße, etwa vierhundert Meter unter uns. Am anderen Ende dieser Straße stand wieder so ein großes, ultramodernes Haus, eines der beeindruckendsten von allen. Nichts als
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