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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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Dann beobachtete ich die beiden bei ihrem Tanz. Wesley fuchtelte mit den Armen, Julian bohrte ihm seinen Zeigefinger ins Gesicht. Der Gorilla musste dazwischengehen, und während der nächsten Minuten war der Teufel los, bis wir vier schließlich die Hintertreppe hinunter und hinaus in die Nachtluft stolperten.
    Julian winkte ein Taxi heran, und wir quetschten uns alle zusammen auf die Rückbank. Ramona nannte dem Fahrer die Adresse, dann waren wir weg, sausten über den Sunset Boulevard. Der Champagner, meine Begleitung und die Nacht selbst bewirkten, dass ich mich zunehmend desorientiert fühlte.
    Wir fuhren auf einem Expressway in östliche Richtung. Die Lichter flirrten an uns vorbei.
    Dann krochen wir durch eine schmale Straße, auf der viele Leute tanzten. Sie mussten beiseitetreten, um uns durchzulassen, einer nach dem anderen, Zentimeter für Zentimeter.
    Irgendwann waren wir aus dem Taxi heraus und gingen in einen anderen Club, der El Pulpo hieß. Er war gerammelt voll und roch nach scharfem Essen, und alle sprachen Spanisch.
    Dann tanzte ich. Ich. So richtig auf einer Tanzfläche. Ich machte eine Pause und trank eine Flasche mexikanisches Bier. Dann tanzte ich weiter.
    Ich tanzte und fühlte mich locker und beinahe gut. Beinahe großartig. So nahe dran an großartig, wie es mir überhaupt möglich war.
    Um mich herum nur Fremde, die eine Sprache sprachen, die ich nicht verstand. Trotzdem fühlte ich mich dazugehörig. Es gab keinen anderen Ort für mich in dieser Nacht als diesen verschwitzten, überfüllten kleinen Club auf der Ostseite von L.A.
    Lucy war jetzt vor mir. Die Arme in der Luft, ein abwesendes Lächeln auf dem Gesicht. Sie tanzte, und es war schön, ihr so nahe zu sein. Ich traute mich, sie zu berühren. Eine Hand an jeder Hüfte.
    Ein anderer Mann legte ihr die Hand auf die Schulter, zog sie zu sich herum und sagte ihr etwas ins Ohr. Sie packte seine Hand und drehte ihm mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung den Arm herum, bis er in die Knie ging. Dann trat sie ihn einmal in den Magen und ließ von ihm ab. Er kroch davon, worauf sie sich wieder zu mir umdrehte, als wäre nichts passiert.
    Die Musik wurde lauter. Die Leute brüllten.
    Das Tanzen ging weiter. Wie sehr ich mich jetzt mit Lucy verbunden fühlte. So etwas hatte ich seit Amelia nicht mehr gespürt. Aber nicht nur mit ihr, sondern auch mit Julian. Und Ramona. Sogar mit Gunnar, der sich im Haus immer noch den Schweiß vom Gesicht wischte und das viele Geld zählte.
    Mehr Gejubel. Lauter und lauter.
    Ein Gedanke kam mir. Falls ich je rede … wird es in einer Nacht wie dieser sein. Ich werde einfach den Mund aufmachen und …
    Lucy sagte etwas zu mir. Ich beugte mich vor, um es zu verstehen.
    »Du bist jetzt einer von uns.« Ihre Lippen streiften mein Ohr. »Du gehörst zu uns.«

[home]
    Kapitel siebzehn
    Michigan
Juli 1999
    N och heute, wenn ich daran zurückdenke – an den Tag, als Amelia mir diese letzte Seite gab – wie hoffnungsvoll ich da war, zum ersten Mal in meinem Leben. Daran will ich mich vor allem erinnern. Diese Hoffnung war so real wie etwas, das ich anfassen konnte. Wie etwas, das zum Greifen nahe war. Die Stunden, die ich mit nichts anderem als diesem einen Blatt Papier in meinen Händen zubrachte. Darauf wartend, dass es Nacht wurde. Furchtbar aufgeregt und unsicher und ohne die leiseste Ahnung, was passieren würde. Doch in der Hoffnung, dass es so schön werden würde wie in meinen schönsten Träumen.
    Die Sonne ging unter. Ich wartete, dass es Mitternacht wurde. Dann ein Uhr. Ich zwang mich zu warten und sagte mir, dass ich es nicht riskieren durfte, früher als sonst zu ihr zu fahren. Wer wusste schon, wie lange sie dort aufblieben? Zwei Uhr war die letzten Male eine sichere Zeit gewesen, also würde ich wieder um zwei dort auftauchen.
    Um ein Uhr fünfunddreißig fuhr ich los. Ich hatte natürlich mein Werkzeug dabei. Entspann dich, redete ich mir gut zu, beruhige dich, sonst kriegst du die Hintertür nie auf. Doch als ich endlich dort ankam, war sie unverschlossen. Noch etwas Neues, diese kleine Botschaft an mich. Ich lauschte ein paar Minuten auf Geräusche. Dann ging ich hinein.
    Durch die Küche zur Treppe. Leise die Stufen hinauf, in den Flur, zu ihrem Zimmer. Ich bewegte den Türknauf. Er war ebenfalls nicht abgeschlossen. Ich drehte ihn, machte aber die Tür nicht auf. Hielt jäh inne.
    Ein letzter Moment des Zweifels. Denn diese ganze Sache … Das war doch offensichtlich zu schön, um wahr

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