Der Mann aus dem Safe
Überlegenen hält. Dass er davon überzeugt ist, am Ende derjenige zu sein, der am besten dabei wegkommt.
Es spielt noch nicht einmal eine Rolle, um was es geht. In diesem Fall war es Ecstasy. Nicht die billigen, dreckigen Pillen, die man in jedem Club findet. Sondern das echte, hundertprozentige. Wird man dadurch auf einmal zum Drogendealer? Natürlich nicht! Es könnten genauso gut Steine vom Mond sein, weil man nämlich nichts liefern wird.
Selbstverständlich hat euer Mann allen Grund, misstrauisch zu sein, denn wer zum Teufel seid ihr schließlich, taucht einfach aus dem Nichts auf und bietet ihm genau das an, was er braucht. Er weiß also von vornherein … er
weiß,
dass die Möglichkeit besteht, dass ihr kleine Schlitzohren seid, die ihm was vormachen wollen. Er wäre nicht da, wo er ist, wenn er das nicht wüsste. Aber er spielt mit, denn was soll’s, vielleicht könnt ihr ja tatsächlich liefern. Er hat nichts zu verlieren, denkt er, denn er ist ein smarter Geschäftsmann, und ihr seid ein paar naive Loser, mit denen er schon fertig werden wird. Also lasst ihr der Sache ihren Lauf. Ihr gebt ihm alles, was er will. Er will eine Kostprobe? Bitte sehr, hier ist sie. Er will, dass ihr den Stoff zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort bringt? Wie Sie wünschen, wir werden zur Stelle sein.
Ihr lasst ihn alles bestimmen. Ihr lasst ihn seine Kohle zusammentragen und schön darauf sitzen. Soll er sie sich doch in seine Hosentasche stecken, bis ihr bewiesen habt, dass ihr alles liefern könnt, was ihr zugesagt habt. Er kann nichts falsch machen, weil er sein Geld noch nicht mal
anrührt,
bevor er weiß, dass es eine sichere Sache ist.
Er kann absolut nichts falsch machen.
Es sei denn … Oh verflixt, nehmen wir nur mal an … Nehmen wir an, dass einer daherkommt und ihm das Geld aus der Hosentasche klaut, bevor der Deal über die Bühne ist. Tja, das könnte allerdings eine kleine Komplikation darstellen.
So hatte Julian es arrangiert. Geradezu genial. Das Opfer amüsiert sich darüber, wie ihr herumstümpert und einen auf cool macht, obwohl ihr total heiß auf das Geschäft seid. Derweil stiehlt sich jemand an ihn heran und langt ihm in die Hosentasche. Auch wenn diese »Hosentasche« ein vierhundert Kilo schwerer Stahlkasten ist, der zusätzlich durch zwei verschiedene Alarmsysteme gesichert wird.
Die Damen entschuldigten sich für einen Moment. Julian kam um den Tisch herum und setzte sich neben mich.
»Du machst das toll«, flüsterte er mir zu. »Du bist ein Naturtalent. Hast kein falsches Wort gesagt den ganzen Abend.«
Er boxte mich spaßhaft auf die Schulter und hob Lucys Champagnerflöte, um mit mir anzustoßen.
»A la Mano de Dios.«
Diesmal verstand ich es. Auf die Hand Gottes. So nennt man diese Art von Operation. Wenn junge Trickbetrüger sich mit jungen Einbrechern zusammentun und das perfekte Verbrechen planen.
»Jetzt sind wir beim entscheidenden Teil«, sagte Julian und rückte wieder näher. »Wenn er gleich nach Hause kommt, um das Geld zu holen, und sieht, dass es weg ist … wird er total durch die Decke gehen, okay? Danach ist es unser Job, noch mehr durch die Decke zu gehen, wie eine Rakete. Wir schimpfen, was er für ein Scheißbetrüger ist, ob er uns an der Nase herumführen will und so weiter. Du verstehst?«
Er machte eine Pause und trank einen Schluck Champagner.
»Wir spielen das voll durch. Wir machen ihn an, schimpfen und zetern, bis wir zur Tür raus sind.«
Die Ladys kamen zurück. Ramona klammerte sich an Julian, als wollte sie ihn in dieser Nacht nicht mehr loslassen, und Lucy schlang die Arme um meinen Hals. Ich war überwältigt von ihren Haaren, ihrem Parfüm, ihrer weichen Haut an meiner Wange.
Sie spielte nur ihre Rolle, das wusste ich. Aber trotzdem.
»Trink noch etwas Champagner«, sagte sie. »Das betäubt den Schmerz.«
Ich war nicht sicher, was sie meinte. Den körperlichen Schmerz nach all der Aktion in dieser Nacht? Den inneren Schmerz in mir? Oder noch etwas ganz anderes?
Egal, ich trank noch ein wenig Champagner. In diesem Club, in dieser Stadt, in dieser Nacht, während die Lichter zuckten und die Musik unter mir stampfte … Ich konnte nicht anders, als mich zu fragen, was wohl als Nächstes passieren würde. Mit diesen merkwürdigen, schönen Menschen schien einfach alles möglich zu sein.
Wesley kam zurück. Sein Gesicht war hochrot und sein Pferdeschwanz aufgelöst. Julian zwinkerte mir zu, als er von seinem Platz aufstand.
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