Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
vorbeikam. Das ganze Haus mußte lichterloh brennen. Die Luft war so heiß, daß sie kaum atmen konnte. Sie gelangte an Charlottes Zimmer und drückte die Türklinke herunter. Die Tür war verschlossen – natürlich. Sie drehte den Schlüssel um und versuchte es noch einmal. Die Tür gab nicht nach. Sie drückte auf die Klinke, warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Tür. Es half nichts. Die Tür klemmte, und Lydia begann zu schreien.
»Mama!« rief Charlotte aus ihrem Zimmer.
Lydia biß sich fest auf die Lippe und hörte auf zu schreien. »Charlotte!«
»Mach die Tür auf!«
»Ich kann es nicht, ich kann es nicht …« »Sie ist zugeschlossen!«
»Nein, ich habe sie aufgeschlossen, aber sie geht trotzdem nicht auf, das ganze Haus steht in Flammen . oh, liebster Jesus, hilf mir, hilf mir …«
Die Tür zitterte und die Klinke wackelte, als Charlotte versuchte, sie von innen zu öffnen.
»Mama!«
»Ja?«
»Mama, laß das Geschrei und höre mir gut zu … der Fußboden hat sich gewölbt, und die Tür ist im Rahmen eingeklemmt . sie muß eingeschlagen werden . geh und hole Hilfe!«
»Ich kann dich doch nicht verlassen .«
»MAMA! HOL HILFE, ODER ICH VERBRENNE HIER BEI LEBENDIGEM LEIBE!«
»Oh, mein Gott … schon gut.«
Lydia drehte sich um und rannte hustend und keuchend die Treppe hinunter.
Waiden klingelte immer noch. Durch den Rauch sah er Alex in Begleitung von Thomson und Bishop die Treppe herunterkommen. Lydia, Churchill und Charlotte sollten eigentlich auch schon hier sein, überlegte er, doch dann fiel ihm ein, daß sie auch auf einer der anderen Treppen heruntergekommen sein konnten. Der einzige Ort, an dem man feststellen konnte, ob alle da waren, war der Rasen vor dem Haus.
»Bishop!« rief Waiden. »Kommen Sie mal her!«
Der Polizeibeamte eilte herbei.
»Hier, ziehen Sie an der Schnur. Klingeln Sie solange, wie es Ihnen möglich ist.«
Bishop übernahm die Klingel, und Waiden folgte Alex aus dem Haus.
Für Felix war der langersehnte Augenblick gekommen. Er erhob die Flinte und ging auf das Haus zu.
Orlow und ein anderer Mann kamen ihm entgegen. Sie hatten ihn noch nicht gesehen. Als sie sich näherten, erschien Waiden hinter ihnen.
Wie die Ratten in der Falle, dachte Felix triumphierend.
Der Mann, den Felix nicht kannte, blickte über seine Schulter zurück und sagte irgend etwas zu Waiden.
Orlow war nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt.
Jetzt ist es soweit, freute sich Felix.
Er legte die Flinte an, zielte genau auf Orlows Brust, und gerade in dem Augenblick, in dem Orlow den Mund öffnete, um etwas zu sagen, peitschte der Schuß durch die Nacht.
Ein großes schwarzes Loch breitete sich auf Orlows Nachthemd aus, als die Ladung von etwa vierhundert Schrotkugeln in seinen Körper drang. Die beiden anderen hatten den Knall gehört und starrten Felix verblüfft an. Blut quoll aus Orlows Brust, und er fiel rücklings zu Boden.
Ich habe es geschafft, jubelte Felix, ich habe ihn getötet.
Und jetzt ist der andere Tyrann an der Reihe.
Er richtete die Waffe auf Waiden. »Keine Bewegung!« schrie er. Waiden und der andere Mann standen reglos da.
Dann hörten sie einen Schrei.
Felix blickte in die Richtung, aus der er gekommen war. Lydia kam aus dem Haus gerannt, ihr Haar brannte. Felix zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann stürzte er auf sie zu.
Waiden tat das gleiche.
Während Felix rannte, ließ er die Flinte fallen und zog sich die Jacke aus. Er erreichte Lydia vor Waiden, warf ihr seine Jacke über den Kopf und erstickte die Flammen.
Sie riß sich die Jacke vom Kopf und schrie ihm zu:
»Charlotte ist in ihrem Zimmer eingeschlossen, und ich kriege die Tür nicht auf!« Waiden drehte sich um und rannte ins Haus.
Felix folgte ihm.
Schluchzend und außer sich vor Schrecken sah Lydia Thomson über den Rasen laufen und die Flinte aufheben, die Felix fallen gelassen hatte.
Sie beobachtete mit Entsetzen, wie Thomson die Waffe hob und auf Felix’ Rücken zielte.
»Nein!« schrie sie. Sie warf sich Thomson entgegen, brachte ihn aus dem Gleichgewicht.
Der Schuß ging ins Gras.
Thomson starrte sie verblüfft an.
»Wissen Sie es denn nicht?« kreischte sie hysterisch. »Er hat genug gelitten!«
Charlottes Teppich schwelte.
Sie hielt sich ihr Taschentuch vor den Mund und biß sich in den Handrücken, um nicht zu schreien.
Sie rannte zu ihrem Waschtisch, nahm die Wasserkanne und schleuderte sie in die Mitte des Zimmers. Das Wasser verstärkte aber den Rauch nur
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