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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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es?
    Die Gestalt näherte sich. Es war Stephen. Er trug Charlotte in seinen Armen.
    Thomson ließ Lydia los. Sie rannte zu ihrem Mann. Stephen legte Charlotte behutsam ins Gras. Lydia starrte ihn in panischem Schrecken an. »Was … was …?«
    »Sie ist nicht tot«, sagte Stephen. »Nur ohnmächtig.«
    Lydia hockte sich ins Gras, wiegte Charlottes Kopf in ihrem Schoß und legte ihr sanft die Hand auf die Brust. Das Herz pochte stark.
    »Oh, mein kleines Mädchen«, sagte Lydia.
    Stephen setzte sich neben sie. Sie schaute ihn an. Seine Hosen waren verbrannt, und seine Haut war schwarz und voller Brandblasen. Aber er lebte.
    Sie schaute zur Tür.
    Stephen sah ihren Blick.
    Lydia merkte jetzt, daß Churchill und Thomson ganz in ihrer Nähe standen und jedes Wort hörten.
    Stephen nahm Lydias Hand. »Er hat sie gerettet«, sagte er. »Und dann hat er sie mir durch die Tür gereicht. Aber plötzlich brach der Fußboden ein. Er ist tot.«
    Lydias Augen füllten sich mit Tränen. Stephen drückte ihre Hand fester. Er sagte: »Ich sah sein Gesicht, als er in die Flammen stürzte. Ich glaube, ich werde es nie vergessen. Seine Augen waren offen, und er war bei Bewußtsein, aber . er schien überhaupt keine Angst zu haben. Er sah sogar irgendwie … zufrieden aus.«
    Die Tränen flossen über Lydias Gesicht.
    Churchill sagte zu Thomson: »Schaffen Sie Orlows Leiche weg.«
    Der arme Alex, dachte Lydia, und sie weinte auch um ihn.
    Thomson machte ein verdutztes Gesicht: »Wie soll ich das verstehen?«
    Churchill sagte: »Verstecken Sie die Leiche, begraben Sie sie. werfen Sie sie ins Feuer, es ist mir egal, wie Sie es machen, solange Sie dafür sorgen, daß diese Leiche für immer verschwindet.«
    Lydia starrte ihn entgeistert an, und sie sah durch ihre Tränen, wie er einige Papiere aus der Tasche seines Schlafrocks zog.
    »Das Abkommen ist unterzeichnet«, sagte Churchill.
    »Dem Zaren wird mitgeteilt, daß Orlow einem Unfall zum Opfer fiel und in den Flammen umgekommen ist, die Waiden Hall niederbrannten. Orlow wurde nicht ermordet, verstanden? Es hat keinen Mörder gegeben.« Er blickte sich finster in der Runde um. »Es hat nie einen Felix gegeben.«
    Stephen stand auf und ging hinüber zu Alex. Jemand hatte ihm das Gesicht bedeckt. Lydia hörte, wie Stephen sagte: »Alex, mein Junge . was werde ich deiner Mutter sagen?« Er beugte sich nieder und faltete ihm die Hände über dem Loch in seiner Brust.
    Lydia blickte auf das Feuer, das Jahrhunderte Waidenscher Familientradition niederbrannte und auch einen Teil ihrer persönlichen Vergangenheit in Schutt und Asche legte.
    Stephen kam wieder zurück und stellte sich neben sie. Er flüsterte ihr zu: »Es hat nie einen Felix gegeben.«
    Sie blickte zu ihm auf. Hinter ihm färbte sich der östliche Himmel perlgrau. Bald würde die Sonne aufgehen und ein neuer Tag beginnen.

Nachwort
    A m zweiten August 1914 fielen deutsche Truppen in Belgien ein. Wenige Tage später drang die deutsche Armee immer tiefer nach Frankreich vor. Ende August, als der Fall von Paris schon abzusehen war, wurden lebenswichtige deutsche Truppenteile aus Frankreich zurückgezogen, um Deutschland gegen eine russische Offensive aus dem Osten zu schützen. Paris wurde nicht eingenommen.
    1915: erhielten die Russen offiziell die Kontrolle über Konstantinopel und den Bosporus.
    Viele der jungen Männer, mit denen Charlotte auf Belindas Ball getanzt hatte, kamen in Frankreich ums Leben. Freddy Chalfont fiel bei Ypern. Peter kehrte als Schwerverwundeter zurück. Charlotte ließ sich als Krankenschwester ausbilden und ging an die Front.
    1916: gebar Lydia einen Knaben. Das Kind wurde auf den Namen Alex getauft.
    1917: bekam Charlotte eine Lungenentzündung und wurde in die Heimat zurückgeschickt. Während ihrer Genesungszeit übersetzte sie Puschkins »Hauptmannstochter« ins Englische.
    Nach dem Krieg erhielten die Frauen das Wahlrecht. Lloyd George wurde Premierminister. Basil Thomson wurde in den Adelsstand erhoben.
    Charlotte heiratete einen jungen Offizier, den sie in Frankreich gepflegt hatte. Der Krieg hatte ihn zu einem Pazifisten und Sozialisten gemacht, und er wurde als einer der ersten Abgeordneten der Arbeiterpartei ins Parlament gewählt. Charlotte wurde die führende englische Übersetzerin russischer Literatur des neunzehnten Jahrhunderts. 1931 reisten sie dann beide nach Moskau, kehrten begeistert zurück und erklärten, daß die UdSSR ein Arbeiterparadies sei. Sie änderten ihre Meinung, als

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