Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Geschöpf das Gesicht zu, ohne die Augen zu öffnen. »Das ist doch grotesk, Amanda. Justins Mutter ist an einem Herzinfarkt gestorben. Das ist eine Tatsache, Kindesmissbrauch wäre als Erklärung viel überzeugender. So etwas könnte Mallory dem Jungen angesehen haben, aber doch nicht einen Mord, den er miterlebt hat …«
Ziellos zogen die Klänge des Concerto durch sein Hirn. Er sagte flüsternd das griechische Alphabet auf. Die Musik verstummte, Amanda blieb. Er machte die Augen auf. Blasser Mondschein und das Licht der Straßenlampen fielen durchs Schlafzimmerfenster. Er drehte das Gesicht zur Wand, über die sich ein neuer Albtraum bewegte.
Amanda hatte gelernt, einen Schatten zu werfen.
7
26 . Dezember
D as Dienstmädchen war trotz aller Einschüchterungsversuche bei ihrer Aussage geblieben. Vielleicht war Betty Hyde ja heute Vormittag wirklich nicht zu Hause. Eric Franz ging nicht ans Telefon. Aber der Richter war daheim und Harry Kipling ebenfalls.
Mallory hielt die versiegelte Plastiktüte mit dem Beweismaterial vor die Kamera, dann nahm sie die Spielzeugpistole heraus und legte sie auf den Couchtisch.
Im Arbeitszimmer ließ sie die gerade bespielte Videokassette zum Test noch einmal durchlaufen, dann ging sie zur Tür. Vier goldgerahmte Wandspiegel warfen ihr Bild zurück: T-Shirt, Schulterholster, Jeans. Im Gehen zog sie den braunen Kaschmirblazer über, eine originalgetreue Kopie der Jacke, die Amanda Bosch getragen hatte, als sie starb. Der Schneider hatte sich mit der Nachschöpfung seines Werks große, leider nur von wenigen gewürdigte Mühe gegeben.
Am liebsten hätte Mallory auch das Brandloch im Ärmel kopieren lassen, aber dagegen hatte Helen Markowitz’ Geist energisch protestiert. Helen hätte auch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie den Revolver unter dem Blazer missbilligte, weil er die Linie verdarb. Mallory blieb vor dem Dielenspiegel stehen und musterte den Wulst kritisch.
Sie rief den Kater, schnippte mit den Fingern – und schon hatte sie einen beseligten Knolle auf dem Arm. Wieder ein prüfender Blick in den Spiegel. Nein, so ging es nicht. Der lebende Pelzkragen war als Tarnung für die verräterische Wölbung einfach zu zappelig. Sie setzte Knolle ab, zog den Blazer aus, trennte sich von dem Holster und legte den Revolver in die Schublade des Tischchens unter dem Dielenspiegel. Dann zog sie den Blazer wieder an und schnippte erneut mit den Fingern. Ohne ein Fünkchen Stolz oder Selbstachtung kam Knolle bereitwillig wieder in ihre Arme und schnurrte wie eine altmodische Nähmaschine.
Vor der Wohnung der Hearts blieb Mallory stehen. Der Richter hatte offenbar schon eine neue Kette anbringen lassen und spähte wie gestern durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen.
»Ich möchte zu Ihrer Frau.«
»Scheren Sie sich weg!«
»Wir können das diskret oder weniger diskret regeln, das liegt ganz bei Ihnen. Ich will mich nur davon überzeugen, ob alles in Ordnung ist.«
Die neue Kette wurde ausgehakt, die Tür öffnete sich. »Pansy«, rief der Richter. »Pansy!«
Pansys Gesicht sah nicht wüster aus als am Vortag. Mallory nickte ihr zu. »Ich wollte nur mal nach dem Rechten sehen«, sagte sie. Im Gehen wandte sie sich noch einmal an den Richter. »Ich weiß, was Sie getan haben. Keine Angst, ich kriege Sie noch.«
Zornrot knallte Richter Heart die Tür zu.
Einen Stock höher machte Kiplings Sohn auf und ließ Mallory eintreten. Das anzügliche Lächeln verkniff er sich diesmal. Harry Kipling saß am Tisch. Als er den Kater sah, stand er schnell auf – aber doch nicht schnell genug.
Mit freudig blitzenden Augen stürmte ein Springerspaniel auf Knolle zu.
In der Wohnung war alles still. Keine Bewegung, kein Laut, kein lebendiges Wesen. Nicht einmal eine Katze. Und dann hallten plötzlich Schritte durch die Stille. Aber nicht lange. Ein Griff – und der Revolver war gefunden. Kaltes Metall blitzte kurz auf, als die Waffe aus dem Dunkel des Schubfachs geholt wurde und im Dunkel einer Tasche verschwand. Lautlos verließ der Dieb die Wohnung.
Als Mallory die Tür hinter sich zuschlug, hörte sie den Kiplingsohn zetern: »Jetzt sieh dir an, was sie mit meinem Hund gemacht hat!«
Mallory ging durchs Treppenhaus zurück. Die Tür zur Wohnung der Rosens stand offen. War sie wirklich so nachlässig gewesen?
Knolle mauzte diesmal nicht, als sie ihn zu Boden plumpsen ließ, inzwischen war er an das Spiel gewöhnt. Er gähnte herzhaft, dann ging er seiner Wege.
Sie trat
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