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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Dosenfleisch und Schiffszwieback. Jeder Zivilist hätte unsere Verpflegung als Hundefutter bezeichnet. Außerdem gab es Fleischeintopf von Maconochie, wie er schon im Ersten Weltkrieg in den Schützengräben ausgegeben worden war. Nur wenn wir eine Gazelle schossen, was selten der Fall war, hatten wir ein Festessen, von dem wir mehrere Tage zehrten. Einige von uns versuchten, die Tiere von den fahrenden Lastwagen aus zu erlegen, aber dazu war die Wüste nicht flach genug. Wenn man über einen der Buckel fuhr, die wir »Kamelhöcker« nannten, konnte man nicht zielen. Als Junge vom Lande wusste ich, dass man Wild am besten zu Fuß nachstellt, und das tat ich dann auch.
    Manchmal konnten wir mit den Beduinen Tauschhandel treiben, aber das kam nur selten vor, und es hagelte Missverständnisse. Sie begrüßten uns, indem sie die Hände hoben, mit den Handflächen nach innen, und mit den Fingern wackelten, als wollten sie uns heranwinken. Wenn man dann zu ihnen ging, zeigten sie sich verdutzt und begriffen nicht, was man von ihnen wollte. Aber diese Missverständnisse waren es wert, wenn man am Ende ein, zwei Eier herausschlagen konnte. Leider kannten die Beduinen kein Obst und Gemüse, denn das hätten wir am dringendsten gebraucht. Manchmal erbeuteten wir italienische Verpflegung, Dosenthunfisch oder Reis, aber meist war es nur Tomatenpüree. Ihr Speiseplan war anscheinend wenig abwechslungsreich.
    Unsere eigene Verpflegung war eine Katastrophe. Wir alle waren entsetzlich unterernährt und deshalb anfällig für Krankheiten. Aus einem Kratzer wurde rasch eine eiternde Wunde, die einfach nicht heilen wollte und eine Blutvergiftung verursachen konnte. Diese Wüstenentzündungen plagten uns während des gesamten Feldzugs. Sanitäter gab es kaum, und auch sie konnten nur den Schorf entfernen und auf das Beste hoffen. Selbst heute, siebzig Jahre später, habe ich von solchen Entzündungen noch Narben an den Unterarmen.
    Wie man sich wohl denken kann, war die Hygiene angesichts der Fliegenschwärme miserabel. Wir hatten oft den »Durchmarsch«, und Durchfall ist auch in der Wüste alles andere als lustig. Selbst für Gesunde war die Erledigung des großen Geschäfts nicht ganz einfach. Man grub ein Loch und ging darüber in die Hocke. Es dauerte nur Sekunden, und Mistkäfer flogen heran und knallten einem gegen das Hinterteil. Sie waren zielgenauer als der durchschnittliche Sturzkampfbomber. Doch während Stukas ihre Bomben ausklinkten und dann verschwanden, flogen diese Biester einem geradewegs vor das entblößte Hinterteil. Dort landeten sie am liebsten. Dann ließen sie sich in den Sand fallen und rollten unseren dürftigen Darminhalt zusammen, ehe sie damit den Rückzug antraten, Gott weiß wohin.
    Wenn wir länger an einer Stelle blieben, bauten wir uns einen Wüstentoilettensitz, indem wir ein Loch in eine der Holzkisten sägten, in denen die Benzinfässer geliefert wurden. Diese Kisten waren knapp einen Meter hoch, und man saß darauf wie ein König und hatte einen schönen Blick über die umliegende Sandlandschaft.
    Wir bekamen vier bis fünf Liter Wasser am Tag. Leider mussten wir davon auch die Kühler der Fahrzeuge füllen und uns selbst und unsere Wäsche sauber halten, sodass nicht viel zu trinken übrig blieb. Das Wasser wurde in Kanistern aus dünnem Blech geliefert, die innen mit Wachs beschichtet waren, doch diese Schicht riss unweigerlich, weil die Kanister immer wieder herumgeschleudert wurden – mit der Folge, dass das Wasser entweder nach Rost oder nach Kerzen schmeckte. Uns zu waschen war ein Luxus, den wir uns im Gefecht nicht erlauben konnten. Erst wenn der Druck des Feindes nachließ, säuberten wir uns Hände und Gesicht, so gut es ging, und verteilten mithilfe eines Rasierpinsels das kostbare Nass so sparsam wie möglich auf dem Körper. Normalerweise ging uns das Wasser aus, ehe wir ganz fertig waren.
    Allzu oft hingen wir vom »Bowser-Man« ab, was in etwa »Tankwart« bedeutet. Seinen richtigen Namen habe ich nie erfahren. Er fuhr mit einem erbeuteten italienischen Tanklaster kreuz und quer durch die Wüste, so, wie es ihm passte, klapperte die Birs ab und suchte nach Wasser. Manchmal blieb er tagelang verschwunden, und er war immer alleine unterwegs. Er war ein kleiner, rätselhafter Mann, der die Wüste kannte wie seine Westentasche und der mit den Beduinen ungezwungen auf Arabisch reden konnte. Aber so oft allein auf dem »Blauen« zu sein, hatte ihn verändert. Wenn er zurückkehrte und

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