Der Mann, der ins KZ einbrach
jemanden erwischte, wie er auf einer unserer improvisierten Benzinfasskisten saß, drehte er durch, zog seinen 38er Revolver, fuhr mit dem Tankwagen im Kreis herum und feuerte auf die Kiste zwischen den Beinen des Sitzenden. Niemand wusste, warum er das tat. Aber es war ganz schön demütigend, wenn einem der hölzerne Toilettensitz zwischen den Beinen weggeschossen wurde. Erstaunlich, dass der Bowser-Man nie jemanden verletzte. Er war ein verrückter Bursche, aber alle nahmen ihn so, wie er war.
Dann kam die bisher größte Show. General Wavell beschloss einen Überraschungsangriff auf die italienischen Wüstenforts. Über Einzelheiten schwieg man sich natürlich aus. Jeder erfuhr nur so viel, wie er wissen musste, und wir einfachen Soldaten brauchten gar nichts zu wissen. So war das damals. Unsere Aufgabe bestand darin, die italienischen Minenfelder und die anderen Verteidigungsanlagen um die feindlichen Lager auszukundschaften, damit unsere Panzer, die den Angriff führten, direkt durch die Lücken preschen konnten.
Am 7. Dezember 1940 bewegten sich im Schutz der Dunkelheit riesige Kolonnen aus Menschen und Material in ihre Stellungen, während der Wüstenwinter zu beißen begann und die Männer zitternd und nervös auf den Beginn der Schlacht warteten. Zwei Tage später wurden in aller Herrgottsfrühe Panzer, Geschütze und Infanterie an die Ausgangslinie für die Offensive geführt. Für die Fahrzeuge war der Weg mit Sturmlampen markiert, die vor dem Blick das Feindes durch Benzinfässer abgeschirmt wurden, die man zersägt und umgedreht hatte. Die Soldaten waren den italienischen Lagern so nahe, dass sie den Kaffeeduft und andere Frühstücksgerüche in der Nase hatten.
Um 7 Uhr schoss die Artillerie massives Trommelfeuer; dann begann der Angriff auf die feindlichen Stellungen. Die italienischen Kampfwagen waren viel zu leicht gepanzert und so gut wie nutzlos. In den ersten fünfzehn Minuten schossen wir dreiundzwanzig von ihnen ab; dann erbeuteten wir fünfunddreißig weitere und machten bei eigenen Verlusten von sechsundfünfzig Mann zweitausend Gefangene. Nach der kalten Arithmetik des Krieges war das ein guter Anfang.
Die Informationen, die unsere nächtlichen Spähtrupps gesammelt hatten, hatten zu einem großen Erfolg beigetragen. Einige unsere Offiziere bestimmten die Anzahl der Gefangenen bereits nach Hektar statt nach Tausenden. Den Dokumenten zufolge, die ich später gelesen habe, flogen schon bald die Gratulationsbotschaften zwischen den hohen Tieren hin und her. Ich erinnere mich aber nicht, dass die Jungs in der Wüste während all meiner Einsätze auch nur ein einziges »Dankeschön« gehört hätten. Ich nehme an, die hohen Herren sahen keine Notwendigkeit dafür.
2 RB fand unter den gefangenen Italienern einen sehr guten Koch. Unsere Offiziere rissen sich ihn unter den Nagel und ließen ihn unter dem Namen »Rifleman Antonio« in ihrem Kasino arbeiten. Er blieb vier Wochen, ehe ein Höhergestellter von der Sache erfuhr, obwohl er während eines Luftangriffs mit einem Colonel in der gleichen Höhle gelegen hatte.
Wir eroberten Sidi Barrani zurück, das windige Wüstenfort mit den schadhaften Wällen und den wenigen Lehmhütten, von dem der Duce geprahlt hatte, er habe dort die Straßenbahnen wieder ans Laufen gebracht. Es war der 10. Dezember, und innerhalb von vierundzwanzig Stunden beantwortete die Wüste die Neuigkeit mit einem gewaltigen Sandsturm.
Nicht alles lief so, wie wir es uns vorstellten. Die italienische Luftwaffe hatte die Angewohnheit, uns die Laune zu verderben, und wenn auch nur ein einziges Aufklärungsflugzeug gesichtet wurde, erhielten wir Befehl, die Wüste tüchtig »aufzurühren«: Wir legten eine sichere Entfernung zwischen uns und unsere Hauptkolonne und fuhren dann wie die Verrückten kreuz und quer herum. Die Staubwolken, die dabei in die Höhe stiegen, erweckten den Eindruck, wir wären ein viel größerer Verband. Dann zogen wir uns zurück, mit staubigen Gesichtern und Sand zwischen den Zähnen, und warteten darauf, dass die Bomberstaffeln kamen und die leere Wüste beharkten. Normalerweise taten sie uns den Gefallen.
Aber immer funktionierte der Trick nicht. Einmal wurden wir als Reserve zurückgehalten, als ein italienisches Jagdflugzeug über uns hinwegkreischte, gefolgt von einem zweiten. Zum Fliehen war keine Zeit. Ich warf mich hin, schluckte einen Mundvoll Wüste und hoffte, dass der Pilot zu viel Kaffee getrunken hatte. Insgesamt zählte ich
Weitere Kostenlose Bücher