Der Mann, der ins KZ einbrach
sicherer Entfernung ein brennendes Streichholz in den Kanister. Begleitet von einem dumpfen Knall, stieg eine Wolke aus schwarzem Rauch in die Luft. Die Druckwelle trug die erste Wärme des neuen Tages heran, und die Hitze brachte das Wasser im Kochgeschirr in null Komma nichts zum Sieden.
Wir hatten das kühlere Wetter anfangs willkommen geheißen, aber jetzt wurde es nachts sehr viel kälter, und das war gar nicht mehr lustig. Dann kam auch noch der Regen, als müsste unsere Stimmung noch weiter gedämpft werden. Es goss die ganze Nacht hindurch. Da wir einen Sitzkrieg führten, verbrachten wir den Großteil unserer Zeit mit Sport, Kartenstudium, Waffendrill und dem Erlernen jener Kenntnisse, die man für nächtliche Spähtrupps brauchte.
3. Kapitel
E ines Nachts wurden wir ausgeschickt, um ein italienisches Treibstoffdepot in die Luft zu jagen. Wir waren zwölf Mann unter dem Befehl von Platoon Sergeant-Major Endean, unserem Zugführer, und hatten drei Sprengstoffexperten für die eigentliche Arbeit dabei. Bei Nacht gehörte die Wüste uns, denn die Italiener bewegten sich in der Dunkelheit kaum. Gute Orientierung machte den entscheidenden Unterschied, und es war lebenswichtig zu wissen, wie weit vom Feind entfernt man die Lkw anhalten musste, damit man nicht gehört wurde, und wie nahe man die Lastwagen heranzuführen hatte, damit man das Ziel in der zur Verfügung stehenden Zeit zu Fuß erreichen konnte.
Ehe wir uns auf den Weg machten, stellten wir uns voreinander auf und prüften gegenseitig unsere Uniformen und die Ausrüstung auf verräterische helle oder glänzende Stellen, die rasch entdeckt und einen Kugelhagel auf uns herabbeschwören konnten. Als Nächstes bildeten wir Zweiergruppen und schüttelten uns gegenseitig durch, denn auch klirrende Schlüsselbunde oder klimpernde Münzen konnten uns verraten, zumal der Schall bei Nacht sehr weit trägt.
Nachdem wir zuletzt die Waffen überprüft hatten, war es Abend geworden, und die drei Lastwagen setzten sich über das felsige Terrain in Bewegung. Sechzehn Kilometer vor dem Ziel stiegen wir ab und legten das letzte Wegstück schweigend zu Fuß zurück, von Endean und seinem bewährten Kompass geführt. Völlig außer Puste erreichten wir unser Ziel, aber diese Mühe mussten wir auf uns nehmen, denn der Überraschungseffekt war entscheidend.
Als die Umrisse des Depots sichtbar wurden, gab Endean das Zeichen, und wir robbten vor und gingen im Geröll in Ausgangsstellung. Weitere Handzeichen folgten, und wir schwärmten zu einem Halbkreis aus. Auf diese Weise war es sicherer. Schließlich wollten wir keinen eigenen Kameraden treffen, falls es zum Schusswechsel kam.
Ich lag reglos in der Dunkelheit, das Lee-Enfield-Gewehr auf das Depot gerichtet, und versuchte es mir bequem zu machen. Vielleicht mussten wir lange warten.
Rechts von mir sah ich schemenhaft die Sprengstoffjungs, die geduckt, mit eingezogenem Kopf, vorrückten – Schatten, die sich rasch in der Dunkelheit verloren. Die Minuten verstrichen. Wieder Stille. Erneutes Warten. Dann, plötzlich, waren die Männer zurück und rannten mit gesenktem Kopf wie die Hasen. Wir zielten auf das feindliche Lager und warteten darauf, dass die Italiener das Feuer eröffneten. Dann erfolgten die ersten zwei Explosionen – gedämpft, beinahe leise – und sandten raketenartige Blitze in den Nachthimmel. Eine unnatürliche Pause setzte ein, die wahrscheinlich nur Sekunden währte, gefolgt von einer gewaltigen Explosion. Ein Feuerball färbte die Nacht orange. Ich drückte mich tiefer in den Sand, als die Gesichter rings um mich her aus der Dunkelheit gerissen wurden.
Wir rechneten damit, dass jeden Moment die Hölle losbrach, denn normalerweise feuerten die Italiener sofort wild in die Nacht. Diesmal aber blieb der Feuerzauber aus, und wir schlichen uns zurück in die Wüste. Falls es beim Feind Überlebende gegeben hatte, machten sie sich nicht die Mühe, uns zu jagen.
Wir trafen uns an einem Sammelpunkt in sicherer Entfernung, vergewisserten uns, dass alle unverletzt waren, und begannen den langen Rückmarsch zu den Lastwagen. Noch ehe die Morgenröte anbrach, waren wir wieder im Lager und hofften auf eine Mütze voll Schlaf.
Heute weiß ich, dass das Leben in der Wüste mich verändert und innerlich auf die Entbehrungen von Auschwitz vorbereitet hat. In der Wüste zu leben bedeutete, häufig zu frieren und hungrig zu sein, ohne sich auf etwas Besseres freuen zu dürfen als
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