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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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einem großen, stark befestigten Stützpunkt, und ich fürchtete, dass wir es mit der einen oder anderen Überraschung zu tun bekommen könnten.
    Ich hatte mir angewöhnt, auf Spähtrupps ein Kampfmesser mitzuführen. Es war keine Standardausrüstung, aber es war sehr handlich. Ich hatte es zusammen mit einer Neunmillimeterpistole einem italienischen Offizier abgenommen, der sich ergeben hatte. Die Pistole trug ich in einem kleinen Holster unter dem Arm, während das Messer in einer Scheide steckte, die ich selbst angefertigt hatte. Das Messer war nur knapp fünfzehn Zentimeter lang, aber auf beiden Schneiden geschärft und nadelspitz. Ich hatte das Heft entfernt, damit ich die Waffe besser halten konnte, und ich wusste, wie sie zu benutzen war. Man nimmt ein Messer niemals in die Faust und sticht damit von oben wie ein Mörder in einem Hollywoodfilm. Wer das versucht, ist ein toter Mann. Ehe man das Messer so weit erhoben hat, bekommt man wahrscheinlich selbst einen Stich in den Bauch. Ein Kampfmesser wird immer nach oben geführt, den Knauf im Handteller, den Daumen flach auf der Klinge.
    Der Zug war rings um den italienischen Stützpunkt ausgefächert. Wir alle hatten unterschiedliche Aufgaben. Ich mochte Spähtrupps nicht, bei denen wir so weit auseinandergezogen waren. Dann war man wirklich allein. Ich wusste genau: Wenn ich in die Klemme geriet, musste ich mich selbst schnell und leise daraus befreien. Ein Schuss hätte das gesamte Lager geweckt. Ich hatte nicht die Absicht, in einem flachen Erdloch zu enden, wo sie mir Sand aufs Gesicht schaufelten.
    Jedenfalls, ich hatte mich irgendwo an den äußeren Verteidigungsanlagen hingekauert, als ich ihn sah. Er stand im Dunkeln, nur ein paar Meter entfernt. Außer der Schwärze der Nacht besaß ich keine vernünftige Deckung, aber er hatte mich noch nicht entdeckt. Ich wusste, dass ich in einer sehr üblen Lage war. Jeden Moment konnte er mich sehen, und dann ging die Schießerei los. Eine falsche Entscheidung, und es war aus mit mir. Ich nahm das Messer in die Hand, als ich ein Geräusch hörte. Er bewegte sich. Er hatte mich entdeckt. Ich sprang ihn aus der Dunkelheit an und stieß ihm die Klinge unter dem Brustkasten hindurch nach oben in den Leib. Er brach lautlos zusammen, und ich spürte kurz sein Gewicht an meinem Arm, während er zu Boden sank. Dann lag er still da.
    Meine erste Reaktion war Erleichterung. Er hätte mich töten können, aber ich hatte überlebt. Nicht, dass die viele Bajonettausbildung in der Heimat mich auf diese Situation vorbereitet hätte; so war es ganz und gar nicht. All das Schreien und Brüllen, all die demonstrative Aggressivität dienten nur dem Zweck, dass man handelte, ohne nachzudenken. Das hier war anders. Es ging in Stille und Dunkelheit vor sich, und ich hatte das Gewicht seiner Leiche gespürt. Er oder ich, das war die Frage gewesen. So ist das im verdammten Krieg. Die ganze Zeit denkt man sich Entschuldigungen aus.
    Damals dachte ich nur: Ich bin durchgekommen, ich lebe. Nun wollte ich wieder zurück in die Wüste und den Spähtrupp hinter mich bringen. Ich hatte verhindert, dass der Einsatz scheiterte, und meldete, was geschehen war. Ich bekam nicht einmal ein Dankeschön.
    Dieser Italiener ist der einzige Mensch, den ich mit eigenen Händen getötet habe, und das setzt mir verdammt zu. So etwas vergisst man nie. Eine Erinnerung sitzt im Gedächtnis, ein Gefühl aber wohnt im ganzen Körper. Und ich habe das Gefühl jener Nacht während der letzten sieben Jahrzehnte mit mir herumgetragen.

4. Kapitel
     
     
    W ir bereiteten uns auf den Angriff auf Tobruk vor und störten den Feind in der Nacht mit Feuer aus den leichten Bren- MG s. Die Navy schoss von See her, um die italienischen Verteidigungsstellungen zu schwächen. Als wir mit den Carriern das Lager aufschlugen, gab es noch ein bisschen Licht. Auf der einen Seite des Weges befand sich ein Steilhang, vielleicht fünfzehn Meter hoch. Auf der anderen Seite sah man das Mittelmeer.
    Im Krieg ist Instinkt eine großartige Sache, und normalerweise ist es klug, darauf zu hören. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl und schlug vor, mit den Carriern noch ein bisschen weiter dem Weg zu folgen. Minuten später hörten wir einen ohrenbetäubenden Knall, der die Carrier und ihre Insassen durchschüttelte. Donnergrollen hallte von den Felsen wider, und in unseren Ohren hatten wir das hohe Pfeifen, das man nach einer Explosion hört. Unsere Kommentare kann ich hier nicht wiedergeben.

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