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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Höchstgeschwindigkeit. Ich ließ den schmalen Weg nicht aus den Augen, bemerkte aber, dass Mosley zunehmend grün im Gesicht wurde. Hätte ich auch nur einmal das Lenkrad leicht verrissen, hätte eine Kette blockiert und wir wären durch die Luft gewirbelt. Ich zeigte es Mosley gehörig. An der Spitze der Kolonne wendete ich und fuhr im gleichen Tempo zurück, noch ehe der Staub von unserer ersten Vorbeifahrt sich gelegt hatte. Mosley stieg aus und brachte nur ein ersticktes »Vielen Dank« hervor. Jetzt sind wir quitt, sagte ich zu mir. Ich hatte es ihm gezeigt. Danach war er immer ziemlich höflich zu mir.
    Die B-Kompanie stand unter dem Befehl von Major Viscount Hugo Garmoyle. Wir bildeten die Vorhut des Bataillons und kamen gleich hinter den Panzern. Wir durchquerten die Wüste in Richtung Bengasi, dem nächsten großen Ziel. Je weiter wir uns von der Küste entfernten, desto karger wurde das Land. Achtzig Kilometer landeinwärts gab es nur noch spärlichen Bewuchs. Die Erde war trocken und steinig, durchsetzt mit Flecken aus feinem rötlichem Sand. Gelegentlich sah man Hügel und tiefe Mulden, sogenannte Nullahs .
    Mir tat es gut, wieder Les Jackson an meiner Seite zu haben. Als Lance-Sergeant war er Kommandant des Carrier. Er war ein zupackender Bursche, und er vertraute mir. Nicht einmal die Wüstenentzündungen, das grässliche Essen oder der Schlafmangel konnten seinem Humor etwas anhaben. Er war immer auf Draht.
    Am Abend des 23. Januar gerieten die Panzer vor uns auf der Straße nach Mechili in eine Auseinandersetzung mit den Italienern. Sie bekamen es mit siebzig Panzern zu tun, die unseren Kampfwagen ein heftiges Gefecht lieferten. Unsere Leute schossen neun italienische Panzer ab, aber wir zahlten einen hohen Preis. Als wir das Gefechtsfeld erreichten, war schon alles vorbei. Die italienischen Panzer standen brennend und aufgegeben in der Wüste. Der Himmel möge jedem beistehen, der in einem solchen Ungetüm sitzen muss, ging es mir durch den Kopf, als ich mir einen ausgebrannten italienischen M13 ansah. Die Panzerung war löchrig wie ein Käse. Die Besatzung im Innern war verbrannt.
    Einer meiner Kameraden war auf einen M13 geklettert, der auf den ersten Blick nicht so schwer beschädigt wirkte. » O Gott, seht euch das an. Da drin lebt noch einer.« Er stand neben dem Turm und hatte eine Hand auf dem kurzen Kanonenrohr, während er durch die Luke starrte, unfähig, sich loszureißen.
    Ich schwang mich unter dem Geschütz zu ihm hinauf und blickte ebenfalls in den Panzer. Im Turm saß der Kommandant. Seine Eingeweide lagen rot und dunkel in seinem Schoß. Er bewegte sich leicht. Der Versuch, ihn aus dem Panzer zu heben, wäre verrückt gewesen. Er hätte dabei unsägliche Schmerzen erdulden müssen, und er hatte sowieso nicht mehr lange zu leben.
     

     
    In diesem Augenblick war ich wieder siebzehn Jahre alt und daheim in Essex. Ich war mit meinem Vater und seinen Freunden auf Fasanenjagd. Rings um uns sprangen die Hunde durch das dichte Unterholz. Ich genoss das warme Wetter und die Gesellschaft der Erwachsenen. Aus der Ferne hörte ich ein Flattern, als ein Hund hundert Meter von uns einen Fasanenhahn aufstörte. Ich hob die Schrotflinte und feuerte den Lauf mit der Würgebohrung, damit ich die nötige Reichweite erhielt. Ich spürte den Rückstoß an der Schulter, sah, wie der Vogel herunterkam, und wusste, dass ich ihn erlegt hatte. Die Hunde holten ihn, und ich kehrte durch das hohe Gras zur Gruppe zurück. Ich strahlte voller Stolz und hielt den Fasan an den Schwanzfedern hoch. Doch als ich das Gesicht meines Vaters sah, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.
    »Du hältst das wahrscheinlich für einen guten Schuss«, sagte er.
    »Ja«, antwortete ich.
    »Es war aber keiner. Auf diese Entfernung war es ein Glückstreffer.«
    Ich wusste, dass Einwände keinen Sinn hatten.
    »Du hättest den Vogel auf diese Entfernung verletzen können. Dann hätte er tagelang Schmerzen gehabt und wäre qualvoll verendet. Geh jetzt nach Hause.«
    Vater hatte mir immer gesagt, dass ich Mensch und Tier achten müsse. Nun fühlte ich mich vor den Erwachsenen gedemütigt. Er hatte natürlich recht, aber damals verübelte ich es ihm sehr. Ich drehte mich um und ging beschämt davon.
     

     
    Und nun, wenige Jahre später, stand ich auf einem italienischen Panzerwrack und blickte auf einen Mann, der gegen uns gekämpft hatte, jetzt aber nur noch ein leidendes menschliches Wesen war, ohne Aussicht auf Überleben.
    Zum

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