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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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Kontakt mit den Griechen hergestellt, aber im Laufe der Monate waren sie auch meine Freunde geworden. Jetzt wollten sie, dass ich das Kästchen von ihnen nahm, aber mir war nicht wohl dabei. Die Griechen waren für ihr zähes Verhandlungsgeschick bekannt, und es ergab wenig Sinn, dass sie mir ein Geschenk machten. Wahrscheinlich betrachteten sie es als Investition in die Zukunft und wollten mich um weitere Gefallen angehen, aber sie sprachen es nie offen aus.
    Zugegeben, das Kästchen war nicht gerade ein Tauschartikel, der den Griechen aus den Händen gerissen wurde. Die KZ -Häftlinge hatten keine Verwendung dafür. Für sie waren Zigaretten die bessere Währung; sie ließen sich leicht transportieren und schnell weitergeben.
    Das Kästchen musste an einen deutschen Arbeiter gehen oder an jemanden außerhalb der Konzentrationslager. Ein Kriegsgefangener passte da wahrscheinlich ganz gut. Die Griechen wollten nie etwas dafür haben; vielleicht genügte es ihnen, dass ich in ihrer Schuld stand. Und ihre Rechnung ging vermutlich ganz gut auf, weil ich von da an versuchte, ihnen Essen zuzustecken, wann immer ich konnte.
    Es war ziemlich einfach, das Kästchen von der Baustelle zu schmuggeln. Manchmal gab es Durchsuchungen, und dann mussten wir die Posten bestechen. Die Überwachung war alles andere als engmaschig, und die Wärter konnten leicht dazu gebracht werden, in die andere Richtung zu schauen, solange dabei etwas für sie heraussprang. Jedenfalls kam ich problemlos durch, gelangte nach E715 hinein und steckte das Kästchen in meinen Rucksack in der Baracke. Das Kästchen war ein seltenes Stück Schönheit an einem Ort, der aus Hässlichkeit bestand.
    Seit Dezember 1944 blieben die Rotkreuzpakete aus. Dafür sorgten die alliierten Bombenangriffe. Jetzt mussten wir mit den mageren Rationen auskommen, die uns die Deutschen gaben, und konnten weniger an die jüdischen Häftlinge weiterreichen.
    Ich erinnere mich nicht mehr an meine letzten Treffen mit Hans und Ernst. Ich dachte oft an sie, aber im Januar 1945 wussten wir, dass die Russen kamen. Wir hörten Artilleriefeuer und Schüsse in der Ferne. Die Tage der Lager waren gezählt. Ich wusste nicht, ob das Befreiung bedeutete oder neue Schinderei.
    Am 18. Januar 1945 verließen die Juden Auschwitz-Monowitz zum letzten Mal. Das Konzentrationslager, das nur wenige hundert Meter von E715 entfernt lag, wurde geräumt. Nur ein paar Kranke blieben zurück. Die Häftlinge wurden mit vorgehaltener Waffe gezwungen, sich durch Schnee und Eis zu kämpfen. Tausende von ihnen zogen los. Der Todesmarsch hatte begonnen.
    An diesem Morgen marschierten wir zum IG -Farben-Werk in der Erwartung, wie jeden Tag arbeiten zu müssen, doch wir fanden die Baustelle leer vor. Die gestreiften Gestalten, von denen es dort gewimmelt hatte und die aus dem Erdboden zu wachsen schienen, als ich sie zum ersten Mal sah, waren verschwunden. Es herrschte gespenstische Stille.
    Die Gerüchteküche brodelte sofort. Ich war sicher, dass man uns als Geiseln zurückbehalten würde, um uns als Druckmittel gegen die vorrückenden Russen zu benutzen. In der Nacht erfolgte ein heftiger russischer Luftangriff. Wie gewöhnlich flohen wir aus dem Lager, um Schutz zu suchen, und ließen unsere Habseligkeiten zurück. Ich ging in einer flachen Mulde auf dem Feld hinter den Baracken in Deckung, als die Bomben fielen.
    Der Luftangriff schien kein Ende zu nehmen. Die ganze Nacht verbrachte ich in der Mulde. Ich erinnere mich nicht, geschlafen zu haben. Bomben schlugen in der Nähe ein. Ich hielt den Kopf unten und bedeckt. Als der Angriff vorüber war, verließ ich mein Loch und stellte fest, dass vom Lager nicht mehr viel stand. Ich durchsuchte, was von unserer Baracke übrig war, kroch zwischen den Trümmern herum und nahm an mich, was ich retten konnte. Ich fand meine Armbanduhr, die an einem ins Pritschengestell geschlagenen Nagel gehangen hatte, und den Rucksack mit ein paar Habseligkeiten, darunter das bemalte Kästchen, das die Griechen mir geschenkt hatten. Ich nahm alles und eilte hinaus. Einige andere taten es mir gleich, aber wir hatten nicht viel Zeit.
    Es war noch dunkel und kalt, und ich besaß keinen Mantel – ich kann mich nicht erinnern, dort je einen gehabt zu haben. Die russischen Geschütze waren schon deutlich zu hören, vielleicht acht Kilometer entfernt, und wurden lauter. Der Artilleriedonner gab uns Hoffnung, beunruhigte uns aber auch.
    Die Deutschen trieben uns vor dem ersten Morgenlicht

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