Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
Vom Netzwerk:
sehr viel Glück brauchen.
    Die Kleidung war rasch gewechselt. Als ich Hans’ gestreifte Häftlingssachen anzog, spürte ich schlagartig die Kälte. Wieder ging Hans als Erster; er hatte es eilig. Ich hatte mir die Wangen mit Schmutz verschmiert, und mein Haar war wieder gestutzt und behelfsmäßig geschoren. Ich hielt inne und prüfte noch einmal meine Knöpfe, ehe ich heraustrat und begann, den schlurfenden Gang eines ausgezehrten Mannes nachzuahmen. Ohne Zwischenfall gelangte ich zu den »Gestreiften« und wappnete mich für das Durchzählen, bei dem ich mit ihnen verschmelzen musste.
    Was ich nicht berücksichtigt hatte, waren die sinkenden Temperaturen. Ich hasste die Kälte schon damals, und so ist es bis heute geblieben. Ich zitterte heftig. Diesmal zog sich das Durchzählen endlos in die Länge.
    Wir setzten uns in Bewegung und schlurften über den mir nunmehr bekannten Weg. Die Leichen der an diesem Tag Verstorbenen trugen wir wieder mit uns, so wie beim ersten Mal, als ich nach Monowitz gegangen war. Auch diesmal wurden mehrere Leichen fallen gelassen und wieder aufgehoben, um den Trägern dann erneut zu entgleiten. Nach einem mühseligen Marsch schritt ich zum zweiten Mal durch das Tor nach Auschwitz-Monowitz. Irgendwo brüllte jemand den Befehl »Mützen ab!«, und wir gehorchten und strafften uns. Dann folgte der Marsch zum Appellplatz, der auf ungefähr halbem Weg rechts von der zentralen Lagerstraße lag. Selbst innerhalb des Lagers gab es Zäune, die unsere Bewegungsfähigkeit einschränken sollten. Wie zuvor spielte das Lagerorchester.
    Wir stellten uns auf, um durchgezählt zu werden. Diesmal schien es Stunden zu dauern. Trotz der Anstrengung des Marsches war mir nicht warm geworden. Die gestreifte Lumpenkleidung wärmte kein bisschen. Der Abend rückte näher. Ich brauchte nichts vorzutäuschen; ich fühlte mich genauso elend wie die Männer ringsum. Dann begann es zu regnen.
    Ich war mir sicher, dass diesmal mehr von uns auf dem Appellplatz standen, aber ich zählte die Häftlinge nicht. Als wir endlich abtreten durften, folgte ich meinen Freunden zu einer Baracke, die am Rand des Platzes stand, näher zum Lagerzaun mit seinen Hochspannungsleitungen. Kaum waren wir drinnen, kroch ich aufs Bett und blieb dort. Ich wusste, dass ich von dem Essen wieder nichts herunterbekommen würde.
    Meine beiden Freunde hatten in den Monaten, seit ich ihre Pritsche zum letzten Mal mit ihnen geteilt hatte, schrecklich gelitten. Ich konnte kaum glauben, dass sie überhaupt so lange durchgehalten hatten. Ich sagte es ihnen nicht, aber sie waren bis auf die Knochen abgemagert. Der Pole war in der schlechteren Verfassung. Seine Haut hatte einen kränklichen, gelblichen Ton. Er schien dem Tod bereits näher zu sein als dem Leben. Die Häftlinge hatten einem solchen Erscheinungsbild einen merkwürdigen Namen gegeben: »Muselmänner«.
    Ich erkannte, dass die alliierten Bombenangriffe und die Entwicklung des Kriegsgeschehens den Häftlingen eine schwache Hoffnung auf ein Überleben schenkten, doch diese Hoffnung blieb flüchtig. Meine Zeit war begrenzt, aber ich konnte die beiden nicht zum Reden zwingen. Sie waren ausgelaugt, und der Pole verlor das Bewusstsein, kaum dass er auf die Pritsche gekrochen war. Ich war mir ziemlich sicher, dass er die Nacht nicht überstehen würde. Doch mit dem Deutschen konnte ich mich ein wenig unterhalten.
    Ich fühlte mich diesmal besser auf das vorbereitet, was ich erleben würde: das Stöhnen, das Gemurmel, die Schreie. Der Deutsche war vermutlich erst Anfang zwanzig, doch als ich mit ihm und dem Polen die Pritsche teilte, waren sie für mich schon eher Leichen als lebendige Menschen; sehr dünne Leichen noch dazu. Ihre Körper gaben kaum Wärme ab, und ich zitterte.
    Der Tod hatte einen Geruch, den ich nun zum ersten Mal wahrnahm. Ich kann ihn nicht beschreiben, aber er hing in diesen Baracken in der Luft, feucht, düster und abscheulich. Wir waren wie erschlagen von der Anstrengung des Tages. Inmitten des Stöhnens und der Gebete, die irgendwo gemurmelt wurden, schlief ich ein.
    Der Pole hatte die Nacht überlebt, aber am Morgen brauchte er Hilfe, um auf die Beine zu kommen. Ich glaube nicht, dass er es noch lange durchgestanden hat, und ich sah ihn nie wieder auf der Baustelle. Ich war froh, als das Durchzählen beendet war und wir wieder auf der Straße zu den Buna-Werken waren, auf dem Weg zu der Arbeit, die ich normalerweise verfluchte.
    Der Austausch im Bau ging schnell und

Weitere Kostenlose Bücher