Der Mann, der ins KZ einbrach
nicht.
Mit Pferden habe ich mich von klein auf ausgekannt. Ich konnte auch dieses Pferd zur Arbeit bewegen, aber vorher musste ich die Wächter überreden, es mich versuchen zu lassen. Ich sagte ihnen, sie müssten ihr Zeug selbst tragen, wenn die alte Schindmähre ihnen unter den Händen starb. Wenn sie mich das Tier führen ließen, könnte ich es am Leben halten. Sie gaben nach.
Ich nahm die Zügel, und während mir der Schnee ins Gesicht wehte, sprach ich dem Pferd leise ins Ohr. Tiere kennen keinen Groll. Wenn man ihr Vertrauen gewinnt, gehorchen sie einem. Wenn man ein Tier gut behandelt, tut es für einen, was es nur kann. Ich brachte das Pferd dazu, dass es weiterging, und es schaffte für mich im Schneetreiben noch achtzig Kilometer. Dann jagten die Deutschen ihm eine Kugel durch den Kopf und zerlegten es in einer Scheune. Zu dem Zeitpunkt war es das Richtige, denn es erlöste das Tier von seinen Qualen.
Ich nahm mir ein Messer, schnitt ein Stück Fleisch aus dem Hinterteil und verschlang es roh. Unsere Bewacher nahmen sich den Rest. Ich habe nie gesehen, was sie mit dem Fleisch anstellten. Wahrscheinlich brieten sie es sich. Für meine Kameraden fiel nichts ab.
Wir rasteten zwei Tage, damit wir uns erholen konnten. Dann ging der Marsch weiter. Einmal verbrachten wir die Nacht in einem echten Gefängnis mit Eisengittern vor den Fenstern und allem Drum und Dran. Es bot besseren Schutz vor dem Wetter als eine zugige Scheune. Ein anderes Mal schliefen wir in einer Mälzerei.
Auf dem Marsch scharte sich eine kleine Gruppe anderer Soldaten um mich. Vermutlich habe ich die Jungs ein bisschen herumkommandiert. Bill Hedges gehörte zu ihnen und Jimmy Fleet natürlich auch. Es ist mir unangenehm, das zu schreiben, aber ich glaube, Jimmy war der Ansicht, ich hätte eine größere mentale Kraft als die anderen. Er litt sehr auf dem Marsch, und ich konnte ihm ein wenig helfen. Ich stand noch immer bei beiden in der Schuld, weil sie Hans zweimal versteckt hatten. Aber das war lange her. Wir hatten unsere eigenen Schwierigkeiten, und ich wollte keine engen Freundschaften eingehen; das hatte die Wüste mich gelehrt. Vielleicht musste ich schon morgen Schnee auf ihre Leichen schaufeln. Warum sollte man es sich da noch schwerer machen? Ich hielt Abstand, aber Jimmy und Bill hatten mir den Rücken gedeckt, und ich würde auf sie aufpassen.
Wir handelten als Einheit und entwickelten eine eigene Vorgehensweise. Am Ende eines langen, harten Marsches zeigte man uns, wo wir kampieren sollten, und ließ uns dort weitgehend in Ruhe. Militärische Dienstgrade spielten in der Kriegsgefangenschaft kaum eine Rolle, und auf diesem Marsch waren sie völlig bedeutungslos. Die Männer hielten sich an die Kameraden, die wussten, was zu tun war. Wenn jemandem Respekt entgegengebracht wurde, hatte er ihn sich verdient. Meist gab ich die Anweisungen, und wir schwärmten rasch aus und suchten nach Nahrung. Wenn wir Glück hatten, fanden wir Futterrüben. Andere kundschafteten die besten Schlafplätze aus. Ich beobachtete die Posten und lotete aus, wie viel sie uns durchgehen ließen. Mit diesem System überlebten wir.
Ich weiß noch, wie wir eine Scheune durchwühlten, aber unsere Nahrungssuche erbrachte nichts. Ich warf mich hin, um wenigstens die eine Annehmlichkeit auszukosten, die es hier in Hülle und Fülle gab: wundervolles frisches Stroh, in dem man warm schlafen konnte.
Mein Gewicht drückte die blassgelben Stängel nieder, die einst Getreide getragen hatten. Der Gedanke an das Brot, das man daraus gebacken hatte, wurde für mich fast zur Besessenheit. Auf dem Marsch dachten wir an nichts anderes als an Essen, und wenn wir schliefen, träumten wir davon.
An diesem Tag jedoch konnte ich weder schlafen noch bequem liegen. Unter dem Stroh war etwas Klumpiges. Ich schaute nach und stellte fest, dass ich auf einem Sack Kartoffeln lag. Wir waren auf eine Goldader gestoßen. Jemand versuchte uns zu helfen, da war ich sicher. Ich rief die Jungs zusammen. In dem Sack waren ungefähr sechs Pfund Erdäpfel. Wir entzündeten ein Feuer, kochten sie und aßen, so viel wir konnten. Es war ein wunderbares Festmahl. Was übrig blieb, nahmen wir mit, als es am nächsten Morgen weiterging. Wir machten nie wieder solch einen Fund.
Wir hatten das schlesische Ratibor durchquert und kamen in die Tschechoslowakei. Als die Tage zu Wochen wurden, drangen wir immer tiefer nach Böhmen vor und durchquerten Pardubitz an der Elbe. Durch die Vorstädte
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