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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Tränen nahe war.
    «Ich weiß es nicht. Aber er wird sicher wieder auftauchen. Vielleicht ist er einfach eine Zeitlang nach Stockholm gefahren oder so. Ein kleines Abenteuer, du weißt schon.»
    «Warum sollte er das tun?»
    Haraldsson betrachtete ihre aufrichtig ratlose Miene. Den unlackierten, abgekauten Daumennagel zwischen ihren ungeschminkten Lippen. Nein, dieses kleine Freikirchenfräulein konnte sich wohl kaum einen Grund vorstellen. Haraldsson hingegen war sich zunehmend sicher, dass der Vermisste eher ein Ausreißer war.
    «Manchmal kommt man plötzlich auf merkwürdige Ideen und setzt sie dann einfach in die Tat um. Er wird sicher wieder auftauchen, du wirst schon sehen.»
    Haraldsson setzte ein überzeugendes und vertrauenerweckendes Lächeln auf, doch er sah Lisa an, dass es seine Wirkung verfehlte.
    «Ich verspreche es», fügte er hinzu.
    Bevor er ging, bat er Lisa um eine Liste von Rogers Freunden und allen anderen, mit denen er zu tun hatte. Lisa überlegte lange, schrieb dann etwas auf und reichte ihm den Zettel. Zwei Namen: Johan Strand und Sven Heverin. Ein einsamer Junge, dachte Haraldsson, und einsame Jungs hauen von zu Hause ab.
     
     
    Als er sich am Montagnachmittag ins Auto setzte, war Haraldsson ziemlich zufrieden mit seinem Tagwerk. Zwar hatte das Gespräch mit Johan Strand nicht viel ergeben; Johan hatte Roger zum letzten Mal am Freitag gesehen, nach der Schule. Soweit er wisse, habe Roger am Abend Lisa besuchen wollen. Er habe keine Idee, wo er danach hingegangen sein könne. Was Sven Heverin betraf, so hatte dieser offenbar gerade Langzeitferien. Sechs Monate in Florida. Er war bereits seit sieben Wochen verreist. Die Mutter des Jungen hatte einen Beratungsauftrag in den USA angenommen, und die ganze Familie begleitete sie. Manchen Menschen geht es einfach zu gut, dachte Haraldsson und überlegte, an welche exotischen Orte ihn seine Arbeit schon geführt hatte. Das Seminar in Riga war das Einzige, was ihm unmittelbar einfiel, doch da hatte er die ganze Zeit mit einer Magengeschichte im Bett gelegen. Er konnte sich nur noch daran erinnern, dass seine Kollegen eine verdammt gute Zeit gehabt hatten, während er in einen blauen Plastikeimer gestarrt hatte.
    Dennoch war Haraldsson heute ganz zufrieden. Er war mehreren Spuren nachgegangen und das Wichtigste: Er hatte einen möglichen Konflikt zwischen Mutter und Sohn aufgespürt, der vermuten ließ, dass dies bald kein Fall mehr für die Polizei wäre. Hatte die Mutter bei ihrer Meldung nicht sogar gesagt, ihr Sohn habe sich «aus dem Staub gemacht»? Doch, hatte sie. Haraldsson erinnerte sich, dass ihm das aufgefallen war, als er sich die Aufzeichnung angehört hatte. Ihr Sohn «ging» nicht etwa oder «verschwand», sondern er «machte sich aus dem Staub». Deutete das nicht darauf hin, dass er im Zorn gegangen war? Eine Tür, die vor der Nase einer resignierten Mutter zugeschlagen worden war. Haraldsson war immer mehr davon überzeugt. Der Junge war in Stockholm und erweiterte seinen Horizont.
    Nur zur Sicherheit hatte er jedoch vor, noch einen kurzen Abstecher zu Lisas Haus zu machen. Er wollte sich in der Öffentlichkeit zeigen und einige Leute abklappern, die ihn wiedererkennen würden, falls jemand fragen sollte, wie es mit den Ermittlungen voranging. Vielleicht war Roger ja auch wirklich gesehen worden, bestenfalls sogar auf dem Weg in Richtung Zentrum und Bahnhof. Danach weiter zur Mutter, um sie ein wenig unter Druck zu setzen, damit sie zugab, dass sie sich häufig mit ihrem Sohn stritt. Guter Plan, dachte er und startete den Motor.
    In dem Moment klingelte sein Handy. Ein kurzer Blick auf das Display ließ ihn erschaudern. Hanser.
    «Was ist denn nun schon wieder», brummelte Haraldsson vor sich hin und stellte den Motor ab. Sollte er das Gespräch wegdrücken? Ein verlockender Gedanke, aber vielleicht war der Junge ja zurückgekehrt. Vielleicht wollte Hanser ihm genau das mitteilen. Dass er die ganze Zeit richtiggelegen hatte. Er ging ran.
    Das Gespräch dauerte nur achtzehn Sekunden, in denen Hanser insgesamt sechs Wörter von sich gab.
    «Wo bist du?», lauteten die ersten drei.
    «Im Auto», antwortete Haraldsson wahrheitsgemäß. «Ich war gerade in der Schule des Jungen und habe mit seiner Freundin und den Lehrern gesprochen.»
    Zu seinem Verdruss bemerkte Haraldsson, dass er sofort in Verteidigungsstellung ging. Seine Stimme wurde ein wenig gefügiger. Höher. Verdammt, er hatte doch alles so gemacht, wie er

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