Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
österreichischem Kennzeichen wegen wilden Campens verwarnt worden. Derselbe Rogalla ist wenig später in Begleitung eines noch nicht identifizierten Mannes in einem zitronengelben Passat mit Berliner Kennzeichen mit stark überhöhter Geschwindigkeit in eine Radarkontrolle geraten. Der Passat wurde nicht als gestohlen gemeldet, der Besitzer kam dem Strafzettel aber mit einer Anzeige wegen Sachbeschädigung zuvor. Der Fall ruhte und kam erst wieder ins Rollen, als nun vergangene Woche das Campmobil von Pilzsuchern nahe eines abgelegenen Steinbruches in Osten von Berlin im Wald versteckt gefunden wurde. Die Kollegen konnten im Schotterwerk des Steinbruches Kampfspuren sichern und fanden schließlich unter einer dünnen Schicht Schotter eine zerstückelte und stark verweste Leiche. Anhand von Zähnen und Proben aus Haarsträhnen und Knochensplittern konnte ein gewisser Peter Honkes identifiziert werden, der in Berlin unter dem Namen Klaus-Dieter Wenzel registriert war.“
Er schaute mich an, aber ich war wie versteinert. Mir wurde übel. Ich presste die Lippen zusammen.
„Und jetzt halten Sie sich fest. In einem der Büros wurden Jacke, Schnurrbart und Schiffermütze des Unbekannten auf dem Radarfoto gefunden. Und nicht weit vom Schotterwerk im Wald verscharrt fanden die Kollegen dann die Leiche von diesem Rogalla, und der hatte den gefälschten Ausweis von Honkes in der Tasche. Verzwickter Fall ist das. Ich dachte, vielleicht können Sie dazu irgendwelche Angaben machen?“
Ich wollte ja sagen. Aber heraus kam ein Kopfschütteln. Der Pol izist nickte verständnisvoll.
„Hab ich mir schon g edacht.“
Er wandte sich zum Gehen.
„Also, wenn Ihnen noch etwas einfällt...“
„Ja“, sagte ich, „mir fällt etwas ein. Der Frank Fercher, den Sie suchen, ist vor e inem Jahr vor dem CbT in der Fußgängerzone von einem Polizisten in Zivil angesprochen und gebeten worden, ihm bei der Verhaftung zweier angeblich harmloser Ladendiebe zu helfen. Infolgedessen wurde noch in der selben Nacht bei ihm eingebrochen. Er wurde bedroht, erpresst, entführt und monatelang gefangengehalten, auf scheußlichste Weise misshandelt und seines gesamten Vermögens beraubt. Ein Polizist würde doch nicht einen brutalen Gewohnheitsverbrecher als harmlosen Ladendieb ausgeben, nur um einen Passanten dazu zu bringen, ihm bei der Verhaftung zu helfen, weil er sich das alleine nicht zutraut, oder? Können Sie dazu irgendwelche Angaben machen?“
Er schaute mich an, biss sich auf die Lippen – es sah aus, als würde er sich ein wissendes Lächeln verkneifen – und schüttelte den Kopf.
„Hab ich mir schon gedacht.“
Er nickte mir zu, drehte sich um, ging ein paar Schritte in Ric htung seines wartenden Kollegen, kehrte noch einmal um und kam ganz nah zu mir.
„Sie können Herrn Bacher dankbar sein“, sagte er im Flüste rton, „dass er sich so um Sie kümmert. Ich glaube, man findet in Ihrer Situation so leicht keine Stelle als... Gärtner. Ich rate Ihnen, für den Fall, dass Sie über Veränderungen nachdenken sollten, die Stelle lieber noch eine Weile zu behalten, und damit meine ich einige Jahre. Was ich tun kann, werde ich tun, damit Ihnen danach ein Neuanfang in anderer Position gelingt.“
Ich folgte seinem Rat, und er hielt Wort. Es sind jetzt knapp zehn Jahre vergangen. Die bevorstehende Euro-Bargeldeinführung will ich zum Anlass nehmen, als offiziell registrierte Person in die Gesellschaft zurückzukehren. Es wird nicht ohne Risiko sein, aus den 900.000 Mark, die ich mit letzter Kraft aus Massen von Schotter gewühlt habe, nachdem ich Rogalla beerdigt hatte, 450.000 Euro zu machen, denn ich schließe nicht aus, dass mancher Geldschein vielleicht nicht aus dem unregistrierten Lösegeld, sondern aus einem von Honkes sonstigen Verbrechen stammt.
Hermann hat mir geholfen, einen Teil des Geldes in ein Bankguth aben zu verwandeln, das ich auf Mirkos Namen laufen ließ und ihm zum Beginn seines Maschinenbau-Studiums schenkte. Wir haben respektvoll miteinander umgehen gelernt in den zurückliegenden Jahren, und dabei hat Geld keine Rolle gespielt. Wir haben uns beide verändert und uns dabei zum Glück aufeinander zu bewegt.
Sollte das Glück der letzten paar Jahre mir treu bleiben, werde ich mir, wenn Sie das lesen, längst eine neue Existenz gescha ffen haben. Die wenigsten Menschen bekommen die Chance, in aussichtsloser Lage noch einmal neu anzufangen. Gerade jetzt mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen,
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