Der Mann, der sein Leben vergaß
kennen die Frauen nicht, Calbez. Wenn Sie den schönen Namen Primo haben und ihrem Mädel gefällt Max besser, heißen Sie ab morgen unweigerlich nur noch Mäxchen!«
»Grauenvoll! – Aber was sagen Sie dazu, Chef?! Professor Destilliano kaufte vor drei Jahren das Haus neben seiner Villa.«
»Sein gutes Recht!«
»Dieses Haus gehörte dem Schriftsteller Doktor Fernando Albez!«
Antonio de Selvano nickte. Er erinnerte sich genau.
»Ich weiß. Das war damals vor drei Jahren der tragische Fall, wo Doktor Albez bei einem Sonntagsspaziergang einen Herzschlag bekam. Ich war selbst beim Begräbnis zugegen!«
Calbez nickte ernst. Dann sagte er langsam: »Und Anita Almiranda nennt den Fremden Fernando …«
»Sie sind verrückt!« Der Chefkommissar war aufgesprungen und warf das dicke Rauschgiftaktenstück auf einen nahe stehenden Schreibmaschinentisch. »Wollen Sie damit sagen, daß dieser Doktor Albez gar nicht gestorben ist?«
»Vielleicht …«
»Calbez, Mensch, Idiot, ich habe sein Begräbnis mitgemacht! Ich habe ihn in der Totenhalle während der Messe im offenen Sarg aufgebahrt gesehen! Ich saß in der ersten Reihe! Wollen Sie behaupten, daß ich wahnsinnig bin?!«
»Noch nicht«, antwortete Calbez frech. »Aber vielleicht werden Sie es, wenn ich Ihnen weiterberichte. Als ich nämlich soweit vorgedrungen war, ließ mir der Fall keine Ruhe mehr und ich setzte mich auf die Spur. Erfolg: besagter José Biancodero schreibt ein Buch.«
»Wenn es Sie beruhigt: Ich schreibe auch eins!« schrie Selvano. »Wer Bücher schreibt, braucht nicht der vor drei Jahren gestorbene Doktor Albez zu sein!«
»Man nennt Sie ja auch nicht Fernando! Doch weiter! Dieser José Biancodero ist seit einem Jahr dauernd auf Reisen! Er benutzt dazu eine elegante kleine Privatjacht Professor Destillianos und bevorzugt die Route Lissabon, Las Palmas, Amsterdam! Von Amsterdam aber wissen wir, daß es der Hauptplatz der Rauschgiftschmuggelei für Westeuropa ist!«
»Und im Hafen von Las Palmas hat man kürzlich einen Segler mit Morphium-Ampullen sichergestellt«, sagte Selvano leise. »Als die Polizei das Schiff enterte, entfloh die Besatzung in einer Motorbarkasse in die Nacht.«
»Paßt wundervoll in unseren Ring, Chef. Doch es wird noch lustiger! Ich habe durch den alten Gärtner Destillianos ein Manuskriptblatt des neuen Romans dieses José Biancodero erhalten. Das Blatt war unterzeichnet mit Dr. F. A.!«
Für Antonio de Selvano war dieses Wiederkehren Dr. Albez' mehr als Wahnsinn. Schon der Gedanke, daß ein Toter, den er selbst mitbegraben hatte, nach drei Jahren wiederauftaucht und weiterlebt, brachte ihn außer Verstand.
»Hören Sie mit diesem dummen Doktor Albez auf!« schrie er deshalb Primo Calbez an und hieb die Faust auf den Tisch. »Er ist tot! Ich lasse mich nicht zum Narren halten!«
»Gut, wie Sie wollen, Chef – er ist tot! Aber bitte, setzen Sie sich, denn jetzt kommt etwas, wo Sie umfallen!«
»Reden Sie!« meinte Selvano barsch.
»Ich habe die neue, soeben erst, das heißt vor fünf Tagen geschriebene Manuskriptseite der Auswertungsstelle gegeben. Heute erhielt ich das Ergebnis!«
»Und?«
»Die Schrift des neuen Manuskriptes ist die Schrift des verstorbenen Doktor Albez!«
Mit einem lauten Plumps ließ sich Selvano in seinen Sessel fallen. Entgeistert starrte er Primo Calbez an.
»Was?« stotterte er. »Die Schrift Doktor Albez'?«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie sollen sich hinsetzen!« Calbez blickte gemütlich lächelnd auf den noch immer starren Chefkommissar. »Ich glaube, Chef, daß damit der Fall Biancodero eine ganz andere Richtung und Bedeutung bekommt. Wenn Tote weiterleben …«
»Blödsinn!« Selvano hatte sich gefaßt und brüllte auf. »Absoluter Blödsinn, Calbez! Ich lasse mich fressen: Ich habe Doktor Albez im Sarg gesehen! In den Akten liegt ein richtiger Totenschein!«
»Von wem ausgestellt?«
»Von Professor Destilliano!«
»Aha!«
»Was heißt hier aha? Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß der Professor über jeden Verdacht erhaben ist! Einer der größten Gelehrten Portugals …«
Primo Calbez winkte ab.
»Wenn schon«, sagte er geringschätzig. »Es gibt Kaiser, die keinen Schuß Pulver wert sind! Der Name ist kein Schild der Tugend. Wie schön klingt Messalina – und welch ein Aas war sie!«
»Sie Nihilist!«
»Danke! Aber für die Polizei sollte alles verdächtig sein. Um so mehr freut sie sich, wenn das Gegenteil der Fall ist! Denken wir einmal nüchtern, ohne uns an
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