Der Mann, der seine Frau vergaß
ins Krankenhaus.«
Als wir aus dem schummrigen Pub ins Freie traten, blendete mich die grelle Sonne. Gary schob sich eine Zigarette zwischen die Lippen und bot auch mir eine an.
»Nein danke.«
»Nein? Normalerweise qualmst du wie ein Schlot.«
»Echt?«
»Ja, du hast alles versucht, um davon loszukommen – Kaugummi, Pflaster, das Buch von diesem arroganten Schnösel, aber du warst total süchtig.«
»Hm.« Ich nickte und sah zu, wie er den Rauch in seine Lunge sog, ohne das geringste Bedürfnis, es ihm nachzutun. »Bis ich es vergessen habe.«
Bislang hatte Gary mir eröffnet, dass ich ein kettenrauchender Lehrer an einer heruntergekommenen Schule war, dessen Ehe auf der Kippe stand. Normalerweise kam man zu so einer Erkenntnis im Laufe von Jahrzehnten.
»Alles paletti, Alter? Du guckst irgendwie so komisch.«
»Kann ich einfach nur ins Krankenhaus zurück?«
»Da kannst du aber nicht ewig bleiben. Was hältst du davon, wenn du eine Weile zu mir ziehst? Als es mit deiner Ehe bergab ging, hast du auch eine Zeitlang bei uns gewohnt.«
»Als es mit meiner Ehe bergab ging?«
»Ja.« Er kicherte ungläubig. »Eines Abends hast du mit einem blutgetränkten Verband um die Hand vor der Tür gestanden und gesagt, das war’s – mit euch ist es vorbei.«
Da fiel der Groschen. »Ah, jetzt hab ich’s kapiert!« Ich lachte. »Das ist wieder einer von deinen blöden Witzen, stimmt’s? Maddy und ich leben gar nicht getrennt, nicht wahr?«
Gary zuckte zusammen und zog gierig an seiner Zigarette, als handele es sich um das stärkste Skunk auf dem Markt.
»Kein Witz, Alter. Maddy und du, ihr seid euch spinnefeind. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb du nicht ewig im Krankenhaus bleiben kannst: Am Donnerstag ist der Scheidungstermin.«
»Am Donnerstag ist der Scheidungstermin!?«
»Äh, warte mal, nee, ich hab mich vertan …«
»Was? Also ist es doch ein Witz?«
»Es war nicht am Donnerstag, sondern am Freitag. Wann ist der zweite November? Freitag, oder? Ja, der Scheidungstermin ist am Freitag. Gibt’s im Krankenhaus einen Snackautomaten?«
4. KAPITEL
Eine Google-Bildersuche hatte ergeben, dass es auf dieser Welt mehr als eine »Madeleine Vaughan« gab. Sie war entweder neun Jahre alt, eine Labradoodle-Welpin oder eine etwas zu braun gebrannte Pornoqueen. Kein Wunder, dass unsere Ehe keine Zukunft hatte.
Noch am selben Abend war ich nach oben gegangen und hatte mich an den Computer gesetzt, eine großzügige Spende von »Teddys Freunden«, wobei es sich mitnichten um eine Kinderfernsehserie handelte, wie ich anfangs angenommen hatte. Man konnte ihn nur nachts ungestört benutzen, was mein diffuses Gefühl der Heimlichtuerei nur noch verstärkte. »Vielleicht hat meine Frau ja ihren Mädchennamen behalten«, dachte ich. In diesem Fall brauchte ich auf der Suche nach einer geeigneten Kandidatin lediglich sämtliche Fotos im Internet durchzuscrollen, die mit einer Variante ihres Namens versehen waren.
Etwas über mich selbst herauszufinden war unwesentlich einfacher gewesen. Facebook wollte mich partout nicht einloggen lassen; das soziale Netzwerk verfolgte offenbar recht strenge Richtlinien, was persönliche Informationen anging. Nicht zu fassen, dass ich Gary nicht nach meinem Vornamen gefragt hatte. Aber mit dem Wenigen, was ich wusste, und ein wenig Detektivarbeit gelang es mir schließlich, einen Mann aufzuspüren, der unter Umständen ich selbst war. An genau der Stelle, die Gary genannt hatte, befand sich eine Schule, und siehe da, auf einer Liste des Lehrkörpers der »Wandle Academy« stand auch ein gewisser »Jack Vaughan-Geschichte«. Es handelte sich entweder um einen ungewöhnlichen Doppelnamen, die Bezeichnung meines Fachgebietes oder aber eine treffende Beschreibung meiner Lage.
Ohne einen Gedanken an meinen vollständigen Namen zu verschwenden, setzte ich meine Recherchen fort, engte die Suche ein, indem ich »lehrer« und »uk« hinzusetzte und fand prompt mehrere Verweise auf einen »Jack Vaughan«, der ein Jahr zuvor auf einer Bildungskonferenz in Kettering gesprochen hatte. Auf der Website der Schule sah ich mir Fotos von Schülern und anderen Lehrern an – Leute, die ich kennen musste. Dann schließlich, auf einem ziemlich schlechten Schnappschuss, entdeckte ich mich: Mit einem beduselten Grinsen im Gesicht stand ich am Rande eines Lehrergruppenbildes. Also hatte ich tatsächlich schon vor dem 22. Oktober existiert! Ich rutschte nervös auf meinem Stuhl herum. Es kam mir vor,
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