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Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry

Titel: Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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richtig gehört? Was behaupteten Sie da eben?“
    Wachtmeister Hendrick zuckte die Achseln. „Hier“, sagte er. „Ich habe die Karte mitgebracht, ebenfalls die Fingerabdrücke, die wir sicherstellten. Vergleichen Sie selbst!“
    Hilfsinspektor Kirk nahm hastig die Karteikarte in die Hand. Sie war rot durchgestrichen, zum Zeichen dafür, daß der abgebildete Verbrecher verstorben war. „Am dreizehnten September morgens sechs Uhr in Pentonville hingerichtet“, hatte ein Beamter an den Rand geschrieben. Links klebten die drei Lichtbilder des Delinquenten. Darunter stand: „Joseph Hattan, geb. am 12. 6. 1914 in London, ohne Beruf, zuletzt wohnhaft 14, Bienheim Drive, Lewishain.“
    Hilfsinspektor Kirk nahm eine Lupe zur Hand und verglich die Fingerabdrücke. Er kam zu dem gleichen Resultat wie Wachtmeister Hendrick. Die Hautleistenbilder, die man in der Wohnung des toten Olivers Bloom gefunden hatte, rührten zweifellos von Joseph Hattan her. Ein Toter hatte seine Spuren in einer fremden Wohnung hinterlassen. Rätselhafter konnte ein Fall nicht mehr sein. So etwas war überhaupt noch nicht dagewesen.
    „Was jetzt?“ fragte Kirk nach einer Weile ratlos. „Wir machen uns doch lächerlich, wenn wir dieses Ergebnis unserer Untersuchungen weiterleiten. Man wird uns für verrückt halten.“
    „Wachtmeister Hendrick hegte dieselben Befürchtungen. Auch er war wie vor den Kopf geschlagen.
    „Es gibt nur eine Möglichkeit“, murmelte er bedrückt. „Wir müssen Kommissar Morry um Rat fragen, Sir! Wenn er uns nicht helfen kann, dann sehe ich schwarz für uns. Versuchen Sie es, Sir! Vielleicht hat er ausnahmsweise ein paar Minuten Zeit.“
    Man hörte beinahe, wie Hilfsinspektor Kirk ein schwerer Stein vom Herzen fiel. Er nahm die Protokolle der Kommission, die Karteikarte und Fingerabdrücke an sich und schoß durch den langen Korridor auf das Sonderdezernat zu. Es befand sich im linken Flügel des dritten Stockes. An einer dickgepolsterten Ledertür hing eine schmale Visitenkarte mit der Aufschrift: Kommissar Morry, Kriminalkommissar.
    Hilfsinspektor Kirk ließ sich von einer Sekretärin anmelden. Er war ungeduldig wie nie zuvor. Und je länger er warten mußte, desto mehr steigerte sich seine Unruhe.
    „Verdammt“, knurrte er endlich. „Wie lange dauert das denn noch? Soll ich denn bis zum Abend hier herumstehen?“
    „Sie haben Glück, wenn Sie überhaupt vorgelassen werden“, sagte die Sekretärin spitz. „Anscheinend wissen Sie nicht, wie kostbar die Zeit des Kommissars ist. Wenn Sie nicht ein besonderes Anliegen haben, werden Sie schon nach den ersten Worten abgewiesen. Verlassen Sie sich darauf!“
    Hilfsinspektor Kirk machte sich auf das Schlimmste gefaßt. Aber dann ging alles doch viel einfacher, als er gedacht hatte. Man führte ihn in das große Dienstzimmer des berühmten Kommissars und wies ihm einen Sessel an. Leise schloß sich die Tür in seinem Rücken.
    „Was führt Sie zu mir?“ fragte eine jugendliche Stimme.
    Hilfsinspektor Kirk blickte hastig auf. Er sah ein lächelndes, tief gebräuntes Gesicht vor sich, zwei kluge Augen, die warm und freundlich auf ihm ruhten.
    „Verzeihen Sie die Störung, Sir“, murmelte Kirk verlegen. „Ich komme in einer sehr heiklen Angelegenheit . . .“
    „Erzählen Sie! Reden Sie nicht lange herum.“
    „Wir wurden heute morgen von einer gewissen Evelyn Bloom nach Islington in die Richmond Ave gerufen. Ihr Mann hatte angeblich Selbstmord begangen. Als wir den Tatort besichtigten, konnte Wachtmeister Hendrick Fingerabdrücke an einer Fensterscheibe erkennen. Es sind mit ziemlicher Sicherheit die Spuren des Mörders, Sir. Der Polizeiarzt stellte nämlich eindeutig fest, daß Oliver Bloom das Opfer eines Verbrechens geworden war. Man hatte ihn erst erwürgt und dann in einer Schlinge am
    Fensterkreuz aufgehängt. Mit einem richtigen Henkerstrick . . .“
    „So etwas kommt öfter vor“, sagte Kommissar Morry ruhig. „Ich finde nichts Außergewöhnliches dabei.“
    „Die Abdrücke“, stammelte Hilfsinspektor Kirk mit hochrotem Kopf, „die Fingerabdrücke sind das große Rätsel, Sir. Sie stammen von Joseph Hattan.“
    „Ach?“ Kommissar Morry lächelte ironisch. „Was Sie nicht sagen. Joseph Hattan ist tot, mein Lieber. Er wurde gestern früh um sechs Uhr im Pentonville Gefängnis gehängt.“
    „Das weiß ich, Sir“, sprudelte Kirk hastig hervor. „Deshalb komme ich ja zu Ihnen. Wie kann ein Toter seine Fingerabdrücke am Schauplatz eines neuen

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