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Der Mann im Flur

Titel: Der Mann im Flur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marguerite Duras
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ihm zu, damit er noch mehr von ihr sehe, damit er mehr von ihr sehe als ihr aufgerissenes Geschlecht in seiner äußersten Möglichkeit, gesehen zu werden, damit er etwas anderes ebenfalls, gleichzeitig sehe, etwas anderes von ihr, das aus ihr hervorkommt wie ein sich erbrechender, viszeraler Mund.
Er wartet. Sie wendet ihr Gesicht mit den geschlossenen Augen wieder in die Richtung des Schattens und wartet ihrerseits. Dann tut er es seinerseits.
Er tut es zuerst auf den Mund. Der Strahl bricht sich auf ihren Lippen, auf den bloßen Zähnen, bespritzt die Augen, das Haar, und führt dann den Leib entlang hinab, überströmt die Brüste, schon langsamer kommend. Als er das Geschlecht erreicht, gewinnt er wieder an Kraft, bricht sich in seiner Hitze, mischt sich in ihr Loch ein, schäumt und versiegt dann. Die Augen der Frau öffnen sich ein wenig, blicklos, und schließen sich wieder. Sie sind grün.

Ich spreche zu ihr und sage ihr, was der Mann tut. Ich sage ihr ebenfalls, was aus ihr wird. Daß sie sehe, ist das, was ich wünsche.
Der Mann wälzt mit seinem Fuß ihre Gestalt auf den Steinweg. Das Gesicht ist auf den Boden gedrückt. Der Mann wartet und beginnt dann wieder, er wälzt den Körper hin und her, mit einer Brutalität, der er sich kaum enthalten kann. Er hält ein paar Sekunden inne, um sich wieder zu beruhigen, und dann beginnt er wieder. Er schiebt den Körper von sich, um ihn dann sanft wieder an sich zu ziehen. Der Körper ist folgsam, schmiegsam, er fügt sich diesen Behandlungen als ob er ohnmächtig wäre, ohne sie zu spüren, möchte man meinen, er rollt auf die Steine und bleibt da, wo er hingerät, in der Pose liegen, die er am Ende der Bewegung hat.
Auf einmal hat es aufgehört.
Die Gestalt liegt da, halb nackt, fern von ihm. Der Mann betrachtet sie und tritt an sie heran. Dann setzt er, so als wolle er sie weiter hin- und herwälzen, seinen Fuß auf sie, und plötzlich rührt er sich nicht mehr.
Er hätte seinen bloßen Fuß wahllos irgendwo auf die Gestalt gesetzt, in der Gegend des Herzens, und plötzlich hätte er sich nicht mehr gerührt. Die Wölbungen der Brüste sind weich und warm, man verfängt sich darin. Der Mann rührt sich nicht mehr.
Er hätte den Kopf erhoben und zum Fluß geschaut. Die Sonne ist starr und stark. Der Mann betrachtet, ohne zu sehen, mit großer Aufmerksamkeit, was sich seinen Augen bietet. Er sagt:
»Ich liebe dich. Du.«
Der Fuß hätte auf den Körper gedrückt.
Eine Dauer währt fort, sie hat die Einheit der unbegrenzten Unermeßlichkeit. Der Mann hätte die Angst nicht gespürt. Er schaut immer noch, ohne zu sehen, was sich seinen Augen bietet, das blendende Licht, die bebende Luft.
Sie liegt unter ihm, mit all ihrer Kraft, würde man sagen, auf das achtend, was gerade geschieht. Ohne eine Geste, während der in ihren Arm beißende Mund an der Seide des Kleides innegehalten hätte, würde sie den Fortgang wahrnehmen, den Druck des Fußes auf das Herz. Die Augen wären erneut geschlossen gewesen über dem flüchtig gesehenen Grün. Unter dem bloßen Fuß der Schlamm eines Sumpfes, ein Summen von Wasser, dumpf, fern, fortdauernd. Die Gestalt ist aufgelöst, weich, wie zerbrochen, von erschreckender Regungslosigkeit. Der Fuß drückt noch mehr. Er dringt tiefer ein, bis auf die Knochen und drückt noch mehr.
Sie hat geschrien. Er hat einen Schrei gehört. Er hat Zeit zu hören, daß der Schrei nicht mehr aufhört, und auch zu hören, daß er schwächer wird. Und während er glaubt, noch Zeit zum Wählen zu haben, zögert der Fuß, löst sich dann schwer vom Körper und trennt sich unter dem Stoß des Schreis vom Herzen.
Er wäre zurückgefallen in den Sessel des dunklen Flurs.
Die Beine der Frau hätten sich gelöst und ermüdet wären sie wieder heruntergesunken. Sie dreht sich um ihre eigene Achse, sie schreit wieder und müht sich ab in langen, langwierigen Zuckungen. Ihre Klage schreit und weint, sie ruft wieder nach Erlösung, daß man komme, und dann plötzlich, hört sie auf.

Die Sonne hätte ihn bis zum Gürtel beschienen. Ich sehe seine Gestalt im Flur, im Dunkel, fast ohne Farben. Sein Kopf ist auf die Rückenlehne des Sessels gefallen. Ich sehe, daß er von Liebe und Begierde erschöpft ist, daß er außergewöhnlich blaß aussieht und daß sein Herz an der Oberfläche seines ganzen Körpers schlägt. Ich sehe, daß er zittert. Ich sehe, was er nicht betrachtet und was sich dennoch ahnen läßt und dem Flur gegenüber zu sehen ist, jene so schönen

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