Infektion - Tripp, B: Infektion - Rise Again
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S eit der Abschlussprüfung in Geschichte im letzten Schuljahr hatte Kelley Adelman nicht mehr so viel geschrieben. Sie hatte Krämpfe in den Fingern. Der Billigkugelschreiber hinterließ Tintenkleckse, und das Papier des Polizeinotizblocks war so dünn, dass sie noch drei Blätter weiter die durchgedrückte Schrift lesen konnte. Die Worte würden auch auf Danny Eindruck machen, dachte Kelley. Und wenn nicht, spielte es auch keine Rolle. Kelley war dann sowieso weg. Doch sie wollte – musste irgendwie – die Gewissheit haben, dass sie Dannys ungeteilte Aufmerksamkeit hatte, nur ein einziges Mal. Auch wenn es bedeutete, dann gar nicht mehr da zu sein.
Auf dem leise gestellten Fernseher neben dem Herd wechselten sich Bilder ausländischer Kriege mit Barbecue-Tipps eines Starkochs für den Vierten Juli ab. Die Quarzuhr an der Wand tickte Sekunde für Sekunde um die aufgedruckte Anglerszene auf dem Ziffernblatt herum, der Bergwind sang draußen sein Klagelied in den Bäumen, und es war eine Nacht wie jede andere in Forest Peak, außer dass es Kelleys letzte sein sollte.
Ihr wurde bewusst, dass sie mit dem Schreiben aufgehört hatte. Kelley starrte auf den großen, dunklen Revolver, der auf der Plastikdecke des Küchentischs lag, und er starrte zurück.
Liebe Danny,
als Du in den Krieg gezogen bist, hast Du mir versprochen, bald zurückzukommen. Aber das hast Du nicht getan. Ich weiß nicht, worauf ich noch warten soll. Es ist vorbei für mich. Ich weiß, dass Du nie gern gelesen hast, aber vielleicht erinnerst Du Dich an das Theaterstück » Unsere kleine Stadt« von Thornton Wilder, das wir alle in der Highschool gelesen haben. Eine der Figuren sagt etwas Wichtiges, das ich nie vergessen habe. Er sagt, die Toten interessieren sich nicht mehr für die Lebenden, wenn sie gestorben sind. » Allmählich, sehr allmählich lösen sie sich von der Erde … von den Dingen, die sie planten … von den Freuden, die sie genossen … von den Leiden, die sie litten … und von den Menschen, die sie liebten.
Kelley spürte, wie sich ihre Augen vor Selbstmitleid mit Tränen füllten. Vielleicht war es auch echtes Bedauern. Das Ende des Kugelschreibers war ziemlich zerkaut, als könnte sie so die richtigen Worte herausnagen. Sie überlegte, ihn gegen einen Bleistift einzutauschen, für den Fall, dass sie etwas falsch machte. Sie konnte auch später eine ordentliche Abschrift machen. Doch die Highschool war vorbei. Jetzt blieb für sie nur noch übrig, Danny mitzuteilen, was sie nicht hören konnte.
Keine Extrapunkte für Sauberkeit.
Ich nehme an, Du hast Dir vorgestellt, lebend zurückzukommen. Und weil Du denkst, Du bist der Sheriff, wird Dir niemand etwas anderes erzählen. Jeder nickt und lächelt, wenn Du vorbeigehst, doch im Grunde haben sie Angst vor Dir. Wenn Du wütend wirst, steht Dir dieser Wüstenkrieg ins Gesicht geschrieben. Und jeder hier hat Geheimnisse, die Du nicht wissen sollst.
Sie rief sich das Bild von Forest Peak ins Gedächtnis, eine Kleinstadt, mit der sie bestens vertraut war, die sie jedoch kaum wiedererkannte, wie einen einst geliebten Großvater, der senil geworden war. Dominiert wurde alles von dem dunklen und dichten Wald, der wie das Fell eines riesigen Tieres über den Bergen lag, mit endlos vielen Bäumen.
Dann war da die Main Street, die an einer flachen Stelle halb den Berghang hinunterführte. Wie ein Gitarrengurt war sie schmal an den Enden und breit in der Mitte. Es gab ungleichmäßige Gebäudereihen bergauf und bergab, ein paar mit Betongehsteigen, während andere direkt an der asphaltierten Straße standen. An diesem Feiertagswochenende war der ganze Ort mit rot-weiß-blauen Wimpeln und billigen, in China hergestellten amerikanischen Flaggen an Holzpflöcken bestückt. Die Anwohner hatten die gesamte Straße aus einem Fundus von 1100 Dollar geschmückt, der für Stadtprojekte vorgesehen und nicht für das Feuerwerk verbraucht worden war.
All das hob die Schäbigkeit des Ortes ein wenig auf und unterstrich sie gleichzeitig. Es war hauptsächlich der Straßenschmuck, der ein paar Hundert Touristen anzog. Die Main Street war nichts anderes als ein weitläufiger Platz an der Route 144, der alten Landstraße, auf der früher die Modell-T-Güterlastwagen aus dem Flachland von San Bernardino zu den Skiorten von Big Bear und Alpine Glen fuhren.
Während Kelley in Gedanken in die Ortschaft hinabschwebte, konzentrierte sie sich auf das Haus von Jack Carter an der Main Street. Mr. Carter
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