Der Mann im Flur
hügeligen Gelände vor dem Fluß und die malvenfarbene Unermeßlichkeit, die, immer noch dunstverschwommen, die des Meeres sein dürfte. Die Nacktheit der Ebene, die Richtung des Regens dürfte die des Meeres sein. Und diese so starke Liebe. Ich weiß es, dieser so starken Liebe.
Das Meer ist das, was ich nicht sehe. Ich weiß, daß es jenseits von dem ist, was der Mann und die Frau sehen können.
Er hätte sie wieder zu sich kommen sehen, die Erscheinung des Steinweges.
Sie wäre eine Weile stehengeblieben mit dem Rücken am Türrahmen, bevor sie in die Frische des Flurs gedrungen wäre. Sie hätte ihn betrachtet. Ebenso wie sie vor ihm einen Moment früher, hätte er vor ihr die Augen geschlossen gehalten. Seine Hände liegen regungslos auf den Sessellehnen. Er hätte eine Hose getragen, er trägt eine blaue Leinenhose, die er geöffnet hat und aus der es hervorkommt. Es ist etwas Grobes und Brutales, ebenso wie sein Herz. Ebenso wie sein Herz schlägt es. Eine Form aus Urzeiten, ununterschieden von Steinen, von Flechte, eine unvordenkliche, in den Mann gepflanzte, um die herum er sich abmüht. Um die herum er am Rande der Tränen ist und schreit.
Ich höre, wie die Frau zum Mann spricht.
»Ich liebe dich.«
Ich höre, wie er ihr antwortet, er wisse es:
»Ja.«
Ich sehe, daß die Frau sich bewegt und ihrerseits die drei Schritte gehen wird, die sie von ihm trennen. Ich sehe noch, wie er zu einer Fluchtbewegung ansetzt und wie er wieder in den Sessel zurückfällt. Dann sehe ich nichts mehr jenseits der Fakten.
Sie ist bei ihm angelangt, kauert sich zwischen seine Beine und betrachtet es, es ganz allein, in dem Schatten, den sie ihrerseits auf ihn wirft. Behutsam macht sie es frei, bis es ganz nackt ist. Schiebt die Kleidung auseinander. Holt die tieferen Teile hervor. Entfernt sich ein wenig davon, und läßt so das Licht darauf scheinen.
Ich sehe, daß der Mann den Kopf gesenkt hat und es betrachtet, wie er zur gleichen Zeit wie die Frau dieses Schauspiel seiner selbst betrachtet. Es schlägt immerzu, im Rhythmus des Herzens aufzuckend. Durch die feine Haut, die es bedeckt, ist das weite dunkle Netz des Blutes zu sehen. Es ist voller Lust, von mehr Lust erfüllt, als es zu halten vermag, und sich selber derart eng ist es so geworden, daß man zögert, die Hand darauf zu legen.
Der Mann und die Frau betrachten es gemeinsam. Sie machen ihm gegenüber keinerlei Geste und überlassen es noch sich selbst.
Jenseits von ihnen sehe ich noch, daß es ein baumloses Land ist, ein Land im Norden. Daß das Meer flach und warm sein dürfte. Es ist eine klare Wärme verblaßter Wasser. Es hängen keine Wolken mehr über den Hügellandschaften, aber da ist immer noch der ferne Nebel. Es ist ein Land, das sich selbst entflieht, das zu sehen und wieder zu sehen nicht ermüdet, eine Bewegung, bei der man nie anhalten, nie das Ende kennenlernen möchte.
Sie hätte sich langsam voranbewegt, hätte ihre Lippen geöffnet und auf einmal sein weiches, glattes Ende ganz in den Mund genommen. Sie hätte die Lippen über dem Saum geschlossen, der seinen Anfang zeichnet. Ihr Mund wäre voll davon gewesen. Es ist derart weich, daß ihr davon die Tränen in die Augen treten. Ich sehe, daß nichts der Macht dieser Weichheit gleichkommt, es sei denn, das ausdrückliche Verbot, es anzutasten. Verboten. Sie kann nur noch mehr davon in den Mund nehmen, wenn sie es behutsam mit ihrer Zunge zwischen den Zähnen umkost. Ich sehe dies: daß sie das, was man gewöhnlich im Sinn hat, als dieses Grobe und Brutale im Mund hat. Sie verschlingt es im Geiste, sie nährt sich davon, sie kostet es im Geiste bis ins letzte aus. Während der Frevel in ihrem Munde ist, kann sie sich nur erlauben, es zur Lust zu leiten, zu führen, mit bereiten Zähnen. Mit ihren Händen hilft sie ihm zu kommen, wiederzukommen. Aber es scheint nicht wiederkommen zu können. Der Mann schreit. Mit seinen Händen im Haar der Frau verklammert, versucht er, sie von dort fortzureißen, aber er hat nicht mehr die Kraft dazu, und sie will nicht davon lassen.
Der Mann. Der vom Körper mitgerissene Kopf seufzt, eifersüchtig und im Stich gelassen. Seine Klage schreit, zu kommen, wieder zu sich zu kommen, sie schreit den marternden Widerspruch, daß man ihm so etwas Gutes gönne. Ihr, der Frau, ist das einerlei. Ihre Zunge fährt hinab zu jener anderen Weiblichkeit, sie gelangt dahin, wo sie kryptisch wird, und dann steigt sie geduldig abermals hinan bis sie wieder mit ihrem Munde umfängt
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