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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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geben wir damit vielleicht den Anstoß zu einer neuen Überbelastung eines Teils. Das könnte in diesem Fall die Menschheit sein, die dann vernichtet würde – und das wird sicher am allermeisten stinken. Ich bitte Sie um nicht mehr und nicht weniger, als eine unerfreuliche Sache für einen lauteren Zweck zu tun. Sie sträuben sich natürlich dagegen, dafür habe ich auch Verständnis, aber ich versuche Ihnen hier nur klarzumachen, daß die persönliche Lauterkeit des Charakters nicht immer der allerwichtigste Faktor ist. Im Krieg schießt der Soldat, um jemanden zu töten, weil das Universum ihn in eine solche Situation versetzt. Es mag ein ungerechter Krieg sein, und es mag sogar sein eigener Bruder sein, auf den er da zielt- aber der Krieg ist real, und er spielt darin seine ihm zugewiesene Rolle.“
    „Und wo ist in diesem mechanischen Universum Raum für den freien Willen, die Selbstentscheidung, Charles?“
    „Der ist nicht vorhanden. Deshalb sage ich ja auch, das ganze Universum stinkt.“
    „Wir haben also nicht die geringste Freiheit?“
    „Wir haben die Freiheit, ein wenig am Haken zu zappeln.“
    „Haben Sie schon immer so gedacht?“
    „Fast mein ganzes Leben lang“, sagte Boardman.
    „Auch schon, als Sie in meinem Alter waren?“
    „Schon viel früher.“
    Rawlins wandte den Blick ab. „Ich halte Ihre Weltsicht für völlig falsch. Aber ich will nicht meinen Atem damit verschwenden, Sie vom Gegenteil zu überzeugen. Mir fehlen für so etwas die Argumente, mir mangelt es an den Worten. Und davon abgesehen, würden Sie mir sowieso nicht zuhören.“
    „Ich fürchte, da muß ich Ihnen recht geben, Ned. Aber wir können über dieses Thema später immer noch diskutieren. Sagen wir, in etwa zwanzig Jahren, von jetzt an gerechnet. Einverstanden?“
    Rawlins bemühte sich zu grinsen und sagte: „Klar doch. Wenn ich mir vorher nicht wegen der Schuldgefühle in dieser Sache das Leben genommen habe.“
    „Das werden Sie schon nicht.“
    „Wie soll ich noch weiterleben, wie noch in den Spiegel sehen können, nachdem ich Dick Muller aus seinem Schneckenhaus geködert habe?“
    „Warten Sie’s ab. Sie werden später feststellen, daß Sie genau das Richtige getan haben. Oder zumindest das am wenigsten Falsche. Glauben Sie mir das, Ned. Im Moment mögen Sie vielleicht annehmen, Ihre Seele trage einen nicht wiedergutzumachenden Schaden davon. Aber dazu wird es gar nicht kommen.“
    „Warten wir’s ab“, sagte Rawlins leise. Boardman wirkte noch aalglatter, wenn er diese Miene vom guten Onkel aufsetzte. Der Tod im Labyrinth war die einzige Möglichkeit, sagte sich Rawlins, eine Verstrickung in diesem moralischen Sumpf zu vermeiden. Aber kaum war ihm diese Idee gekommen, da verwarf er sie auch entsetzt wieder. Er starrte auf den Bildschirm. „Gehen wir hinein“, sagte er. „Ich bin des Wartens müde.“
    Muller sah, wie sie immer näher kamen. Er konnte nicht verstehen, warum er das so gelassen aufnahm. Sicher, er hatte diesen Roboter zerstört, und danach hatten sie es unterlassen, weitere zu schicken. Aber seine Monitoranlage zeigte ihm, daß die Menschen in den äußeren Zonen kampierten. Ihre Gesichter konnte er nicht erkennen. Er konnte auch nicht ausmachen, was sie dort draußen trieben. Er zählte ein Dutzend; es mochten zwei mehr oder weniger sein. Einige hatten sich in Zone E niedergelassen. Eine etwas größere Gruppe in F. Muller hatte beobachten können, wie einige von ihnen in den äußeren Zonen ums Leben gekommen waren.
    Er verfügte über Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Wenn er das wollte, konnte er Zone E mit dem Reservoir vom Aquädukt überfluten. Aus Versehen hatte er das schon einmal gemacht. Die Stadt hatte fast einen ganzen Tag benötigt, alles wieder sauberzumachen. Muller erinnerte sich, wie Zone E während der Überflutung abgeriegelt worden war. Wie sich überall Schotte hinabgelassen hatten, um das Wasser nicht zu verschwenden. Wenn die Eindringlinge nicht gleich in der Flutwelle ertranken, so würden sie sicher voller Panik in die Fallen laufen. Muller konnte auch andere Dinge tun, um sie davon abzuhalten, ins Zentrum der Stadt einzudringen.
    Aber er tat nichts. Er wußte, daß der Grund für seine Passivität in seinem Verlangen lag, seine Jahre der Isolation zu durchbrechen. Sosehr Muller die Menschen auch haßte, sosehr er sie fürchtete, sosehr er die Aufhebung seiner Zurückgezogenheit scheute, er ließ es einfach zu, daß die Menschen sich zu ihm

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