Der Mann im Labyrinth
Zentrum des Irrgartens. Die fliegenden Spionaugen hielten ihn unter ständiger Beobachtung und verzeichneten seine Wege auf der großen Hauptkarte. Sie waren nicht immer gleich. Muller hatte die Zone A seit der Begegnung mit der Drohne nicht verlassen. Aber täglich änderte er seine Position innerhalb des Zentrums, zog von einem Haus zum nächsten, so als fürchte er sich davor, zweimal im gleichen zu schlafen. Boardman hatte dafür Sorge getragen, daß es zu keinem Kontakt mehr mit Muller kam, nachdem er der Drohne begegnet war. Nicht selten hatte Rawlins den Eindruck, Boardman pirsche sich an ein seltenes und empfindliches Tier heran.
Boardman klopfte auf den Bildschirm und sagte: „Heute Nachmittag gehen wir hinein, Ned. Wir werden die Nacht in der Basisstation verbringen. Morgen ziehen Sie weiter, um sich in Zone E Walker und Petrocelli anzuschließen. Übermorgen marschieren Sie allein ins Zentrum und suchen Muller.“
„Warum gehen Sie auch ins Labyrinth, Charles?“
„Um Ihnen zu helfen.“
„Sie könnten auch von hier draußen mit mir in Verbindung bleiben“, sagte Rawlins. „Sie brauchen Ihr Leben nicht aufs Spiel zu setzen.“
Boardman zupfte gedankenverloren an seinem Halsspeck. „Was ich tue, ist ohnehin auf das kleinstmögliche Risiko angelegt.“
„Wie?“
„Falls Sie in Schwierigkeiten geraten“, erklärte Boardman, „dann muß ich rasch zu Ihnen gelangen können, um Ihnen aus der Patsche zu helfen. Und da möchte ich lieber in Zone F bereitstehen, statt im Notfall durch das ganze Labyrinth eilen zu müssen, um Sie zu erreichen. Verstehen Sie, was ich meine? Von F aus kann ich rasch und ohne größere Gefahr zu Ihnen kommen. Aber nicht von hier draußen.“
„In welche Patsche könnte ich denn geraten?“
„Es könnte Probleme mit Mullers Dickköpfigkeit geben. Er hat keinerlei Grund, mit uns zusammenarbeiten zu wollen, und man ist auch früher schon nicht leicht mit ihm fertiggeworden. Ich kann mich noch an die Monate nach seiner Rückkehr von Beta Hydri IV erinnern. Wir hatten keine ruhige Minute mit ihm. Eine besonders ausgeglichene Persönlichkeit war er eigentlich nie, aber nach seinen Erlebnissen bei den Fremden war er wie ein brodelnder Vulkan. Damit wir uns nicht falsch verstehen, Ned, ich drehe ihm daraus keinen Strick. Er hat alles Recht auf seiner Seite, das ganze Universum zu hassen. Aber er hat etwas Unangenehmes an sich. Er verbreitet Unglück. Wer nur in seine Nähe kommt, wird gewissermaßen vom Pech verfolgt. Sie werden alle Hände voll zu tun haben.“
„Warum kommen Sie dann nicht einfach mit mir?“
„Unmöglich“, sagte Boardman. „Unser ganzer Plan wäre im Eimer, wenn er nur wüßte, daß ich mich auf dieser Welt befinde. Vergessen Sie nicht, daß ich es gewesen bin, der ihn zu den Hydriern geschickt und ihn quasi auf Beta Hydri IV ausgesetzt und seinem Schicksal überlassen hat. Ich glaube, er würde mir sofort an die Gurgel springen, wenn er mich noch einmal sehen könnte.“
Rawlins wollte das nicht glauben. „Nein. So barbarisch ist er nicht geworden.“
„Sie kennen ihn nicht. Wissen nicht, wie er früher war. Und was aus ihm geworden ist.“
„Wenn er so voller Boshaftigkeit steckt, wie Sie behaupten, wie soll ich dann jemals sein Vertrauen gewinnen?“
„Gehen Sie einfach zu ihm. Machen Sie ein argloses und vertrauenswürdiges Gesicht. Da brauchen Sie sich gar nicht groß anzustrengen, Ned. Sie haben schon von Natur aus ein unschuldiges Gesicht. Erzählen Sie ihm, Sie seien Teilnehmer einer archäologischen Forschungsexpedition. Und lassen Sie sich mit keiner Miene anmerken, daß Sie bereits vorher von seiner Anwesenheit wußten. Sagen Sie ihm, Sie hätten das erst festgestellt, als unsere Drohne über ihn gestolpert ist. In diesem Augenblick hätten sie ihn wiedererkannt, sich an die Zeit erinnert, als er und Ihr Vater gute Freunde gewesen sind.“
„Ich soll also meinen Vater erwähnen?“
„Aber in jedem Fall. Eröffnen Sie ihm, wer Sie sind. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Erzählen Sie ihm, daß Ihr Vater verstorben ist, und fügen Sie hinzu, daß dies Ihre erste größere Reise in den Weltraum sei. Wecken Sie vor allem seine Sympathie, Ned. Rufen Sie väterliche Gefühle in ihm wach.“
Rawlins schüttelte den Kopf, „Seien Sie mir bitte nicht böse, Charles, aber mir gefällt das alles nicht – dieses Lügen.“
„Lügen?“ Boardmans Augen blitzten auf. „Ist es eine Lüge, wenn Sie sagen, Sie seien der Sohn
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