Der Mann im Labyrinth
aus dem Irrgarten holen?“
„Halten Sie das für moralisch weniger verwerflich?“
„Irgendwie käme es mir ehrlicher vor. Ich hasse diese hinterhältigen Ränke und Tricks. Ich würde lieber dabei helfen, Muller k. o. zu schlagen, ihn dann aus dem Labyrinth ins Freie zu bringen und ihm dann zu erklären, was wir wollen. Ich stünde bereit, es mit der gewaltsamen Methode zu versuchen, weil wir ihn wirklich dringend benötigen. Und über genügend Helfer verfügen wir ohnehin.“
„Tun wir nicht“, sagte Boardman. „Wir können ihn nicht mit Gewalt herausholen. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Es ist riskant. Er könnte sich in dem Moment selbst töten, in dem wir ihn zu packen versuchten.“
„Eine Betäubungswaffe“, beharrte Rawlins. „Ich könnte es selbst tun. Ich brauchte nur in seine Nähe zu kommen und ihn niederzustrecken. Dann tragen wir ihn aus dem Labyrinth nach draußen, und wenn er wieder aufwacht, erzählen wir ihm …“
Boardman schüttelte mit allem Nachdruck den Kopf. „Ihm standen neun Jahre zur Verfügung, das Labyrinth auszukundschaften. Wir wissen nicht, welche Tricks er von ihm gelernt oder welche Verteidigungsfallen er zusätzlich eingebaut hat. Solange er dort drin ist, werde ich mich hüten, etwas gegen ihn zu unternehmen, was nach Gewalt aussehen könnte. Er ist viel zu wertvoll, wir dürfen kein leichtfertiges Risiko eingehen. Wer von uns weiß denn schon, ob er nicht den ganzen Laden so programmiert hat, daß er in dem Augenblick in die Luft fliegt, in dem einer die Waffe gegen ihn erhebt? Er muß aus freiem Willen den Irrgarten verlassen, Ned. Und das heißt, wir müssen ihn mit einem Trick herauslocken. Ich weiß, die Sache stinkt. Manchmal stinkt das ganze Universum. Ist Ihnen das nie aufgefallen?“
„Es braucht nicht zu stinken!“ sagte Rawlins stur und laut. „Ist das die Lektion, die Sie in all den Jahren gelernt haben? Das Universum stinkt nicht, sondern die Menschen darin! Und die Menschen tun das auch noch freiwillig, weil sie lieber stinken, als Schweiß zu riechen! Wir müssen nicht lügen. Wir müssen nicht betrügen. Wir könnten uns für Wahrhaftigkeit und Würde und …“ Rawlins hielt abrupt inne. Mit gedämpfter Stimme sagte er dann: „Ich komme Ihnen sicher sehr grün hinter den Ohren vor, was, Charles?“
„Sie dürfen Fehler machen“, sagte Boardman. „Das ist das Vorrecht der Jugend.“
„Sie glauben also wirklich und sind sogar davon überzeugt, das Geschick des Universums wird von irgendeiner kosmischen Boshaftigkeit gelenkt?“
Boardman preßte die Spitzen seiner dicken, kurzen Finger aneinander. „Ich würde es so nicht ausdrücken wollen. Es gibt keinen Fürst der Finsternis, der schaltet und waltet; genausowenig wie es sein Gegenstück gibt, das personifizierte Gute. Das Universum ist nichts als eine riesige, unpersönliche Maschine. Ihre Funktion bringt es mit sich, daß sie dazu neigt, immer wieder einmal kleinere Teile von sich zu überbeanspruchen. Diese Teile verschleißen dann, und das Universum schert sich einen Dreck darum, weil es unbegrenzt Ersatz herstellen kann. Es ist nichts Unmoralisches an einem solchen Verschleiß. Nur wenn man es vom Gesichtspunkt dieses überbeanspruchten Teils aus sieht, muß man zugeben, daß die Sache stinkt. Es begab sich, daß zwei kleinere Teile der Universumsmaschine zusammenstießen, als wir Dick Muller auf dem Planeten der Hydrier absetzten. Wir mußten ihn dorthin befördern, weil es in unserer Natur liegt, Nachforschungen anzustellen und den Dingen auf den Grund zu gehen. Und die Hydrier haben ihm dann das angetan, was sie ihm angetan haben, weil eben das Universum gewisse Teile überbeansprucht. Und das Resultat dieses Zusammenstoßes: Dick Muller verließ Beta Hydri IV als schwer angegriffenes Teil. Er war zwischen die Räder der Universumsmaschine geraten und ist dort zermahlen worden. Nun stehen wir vor einem zweiten Zusammenstoß der Teile. Ein ebenso unvermeidbares Aufeinandertreffen. Und wir müssen Muller ein zweites Mal zwischen die Räder geraten lassen. Er wird höchstwahrscheinlich ein zweites Mal zermahlen – und das stinkt sicher. Um ihn in eine Position zu bringen, von der wir ihn in die Maschine stoßen können, müssen wir beide, Sie und ich, ein wenig unsere Seele beflecken – was, zugegeben, ebenfalls stinkt. Und andererseits bleibt uns wirklich absolut keine Wahl in dieser Angelegenheit. Wenn wir uns nicht selbst kompromittieren und Muller hereinlegen,
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