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Der Mann mit dem goldenen Colt

Titel: Der Mann mit dem goldenen Colt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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dem beherrschten Gesicht waren noch ganz lebendig. Sie schweiften in regelmäßigen Abständen suchend über die Lichtung. Scaramanga hielt die Hände neben sich auf den Wurzeln. Kein Revolver war zu sehen. Plötzlich wurde Scaramangas Gesicht spitz wie das eines Jagdhundes. Bond konnte nicht sehen, was seine Aufmerksamkeit gefesselt hatte. Plötzlich aber bewegte sich der gefleckte Schatten am Rande der Lichtung, und eine große Schlange, schön rautenförmig gezeichnet in dunkel- und hellbraun, glitt durch den schwarzen Schlamm zielbewußt auf den Mann zu.
    Bond beobachtete sie fasziniert. Er hielt sie für eine Boa aus der EpicratesFamilie, die der Blutgeruch angelockt hatte. Sie war vielleicht eindreiviertel Meter lang und für Menschen völlig harmlos. Bond fragte sich, ob Scaramanga das wußte.
    Er wurde sofort von seinem Zweifel befreit.
    Scaramangas Ausdruck hatte sich nicht geändert, aber er ließ seine rechte Hand sachte am Hosenbein hinuntergleiten, schob vorsichtig den Aufschlag hoch und zog aus dem Schaft seines kurzen Texanerstiefels ein dünnes stilettartiges Messer.
    Die Schlange hielt wenige Meter vor dem Mann einen Augenblick still und hob den Kopf hoch, um ihn ein letztes Mal zu betrachten. Die gespaltene Zunge schoß neugierig immer wieder hervor, dann, den Kopf noch über dem Boden, kroch sie vorwärts.
    Kein Muskel bewegte sich in Scaramangas Gesicht. Nur die Augen waren wachsame, unbewegliche Schlitze. Die Schlange kam in den Schatten des Hosenbeines und kroch langsam hinauf zu dem glänzenden Hemd.
    Plötzlich warf Scaramanga das Messer. Es durchbohrte den Kopf der Schlange genau in der Mitte des Gehirns, nagelte ihn an den Boden und hielt ihn dort fest, während der kraftvolle Körper wild umherschlug, Halt an den Mangrovewurzeln, an Scaramangas Arm suchend.
    Doch der Todeskampf wurde bald schwächer und hörte schließlich auf. Die Schlange lag bewegungslos.
    Scaramanga zog das Messer aus dem Schlangenkopf, schnitt den Kopf mit einem einzigen festen Hieb ab und warf ihn nach kurzer Überlegung in ein Krabbenloch.
    James Bond beobachtete, im Busch kniend, jede Einzelheit mit höchster Aufmerksamkeit. Jede von Scaramangas Handlungen, jeder flüchtige Ausdruck auf seinem Gesicht bewies die Wachheit und Lebendigkeit des Mannes. Nach Bonds Urteil war Mr. Scaramanga ungeachtet des Blutverlustes und innerer Verletzungen noch immer ein fürchterlich gefährlicher Mann.
    Scaramanga änderte vorsichtig seine Lage und nahm wieder eine genaue Untersuchung der umliegenden Büsche, Stück für Stück, vor.
    Bond segnete die dunkle Farbe seines Anzugs, als Scaramangas Blick über ihn hinwegging, ohne zu zucken - er war ein dunkler Schattenfleck unter so vielen anderen. In dem scharfen Schwarz und Weiß der Mittagssonne war er gut getarnt.
    Befriedigt griff Scaramanga nach dem leblosen Körper der Schlange, legte ihn über seinen Bauch und schlitzte sorgfältig die Unterseite bis zur Analöffnung auf. Dann säuberte er ihn und entfernte mit den präzisen Bewegungen und Schnitten eines Chirurgen die Haut von dem rotgeäderten Fleisch. Er warf jedes unerwünschte Stückchen Reptil in Krabbenlöcher, und bei jedem Wurf flog ein Ausdruck des Ärgers über das steinerne Gesicht, weil keine herauskam und die Krumen von der Tafel des Reichen holte. Doch die Krabben hatten noch Angst.
    Als die Mahlzeit bereit war, suchte er nochmals die Büsche ab, dann hustete er sehr vorsichtig und spuckte in die Hand. Er untersuchte das Resultat und schüttelte die Hand. Auf dem schwarzen Boden bildete das Sputum ein hellrosa Gekritzel.
    Der Husten schien ihn nicht zu schmerzen oder besonders anzustrengen. Bond nahm an, daß die Kugel Scaramanga in der rechten Brustseite getroffen und die Lunge knapp verfehlt hatte. Eine Blutung war vorhanden, und Scaramanga war ein Fall fürs Hospital - aber kein so schwerer, wie das blutdurchtränkte Hemd glauben ließ.
    Zufrieden mit der Inspektion der Umgebung, biß Scaramanga hungrig in den Körper der Schlange. Bond stand leise auf und ging, seine Augen auf Scaramangas Hände gerichtet, zur Mitte der kleinen Lichtung. Scaramanga blickte nur von dem abgeschnittenen Stück Schlange in seinen beiden Händen auf und sagte kauend: »Sie haben lange gebraucht, bis Sie kamen. Wollen Sie mitessen?«
    »Nein danke. Ich habe meine Schlange lieber gegrillt mit heißer Butter. Essen Sie nur weiter. Ich sehe Ihre Hände gern beschäftigt.«
    Scaramanga wies auf sein blutbeflecktes Hemd und höhnte:

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